Blog
Hinweise auf Ausstellungen; Rezensionen von Büchern; Interviews mit Fotografierenden, Kunstschaffenden und Medienaktiven; Anmerkungen zur Geschichte und Theorie der Fotografie; Kommentare zur Kultur; Berichte zum Zeitgeschehen und von Reisen.
Die Vermessung des Körpers
Geheimrat Goethe lässt den Laboranten Wagner im Zweiten Teil des Faust das Experiment vornehmen, mit Mitteln der Alchemie einen künstlichen Menschen zu erschaffen, einen Homunkulus. Das Experiment bleibt allerdings im Versuchsstadium und in der Phiole stecken. Goethe beließ es dabei. Dahinter ist jedoch die Idee einer naturwissenschaftlichen Analyse des Menschen und seiner Optimierung erkennbar. Im Übrigen war die Vermessung des Körpers schon vor den Arbeiten am Faust für Goethe von Interesse. Einerseits studierte er die menschlichen Proportionen, um die idealen Formen der klassischen Statuen zu verstehen und die eigene Zeichenfähigkeit zu verbessern, andererseits ging es auch um die Frage, ob sich aus äußeren Merkmalen Charaktereigenschaften ableiten ließen. Dass er als Geheimer Legationsrat für die Musterung von Rekruten zuständig war und bei diesen allerlei Körpermesswerte erheben ließ, sei nur am Rande erwähnt. Hier ging es um die militärische Praktikabilität, etwa beim Zuschnitt von Standarduniformen.
„Echte“ Fotografien und ihre Herausforderer
Je mehr man sich mit der Frage einer Abgrenzung echter Fotografien zu KI-generierten und KI-getunten Bildern befasst, umso komplexer wird die Thematik. Dabei könnte man es sich mit einer Antwort doch leicht machen. Erstens gibt es generativ erzeugte Bilder, die Fotografien simulieren, jedoch keine Verbindung zur anfassbaren Realität aufweisen und deshalb nicht als Fotografien bezeichnet werden können; zweitens digitale Fotografien, die zwar Realität aufgreifen, aber allesamt durch Algorithmen der Kamera geschickt wurden, von der Bearbeitung am Rechner ganz zu schweigen, und aus diesem Grund nicht ungeschminkt echt sind. Drittens schließlich analoge Fotografien, die in der Regel über jeden Verdacht erhaben sind und mit ihrem direkten Bezug zum Realen punkten können. Was auf einem analogen Negativ eingeschrieben ist, hat stets etwas mit dem Es ist so gewesen zu tun, wie Roland Barthes es formulierte. Die beiden ersten Erscheinungsformen, KI-generierte und KI-getunte Bilder, können genau dies nicht leisten. Sind also nur analoge Fotografien echt?
Fotografie zwischen Sozialen Medien und Künstlicher Intelligenz
Das Medium Fotografie ist in eine Zwickmühle geraten. Die Sozialen Medien von Instagram und TikTok bis Pinterest haben zwar zu einer Demokratisierung des Einsatzes fotografischer Technik beigetragen, aber auch zu einer massiven Überflutung mit Fotografien aller Art. Hinzu kommen mehr und mehr Bilder, die von KI-Tools wie DALLE E, MidJourney oder Stable Diffusion generiert wurden und immer realistischer sind. Man sieht ihnen die Entstehung am Rechner kaum an und die Unterscheidung zu echten Fotografien wird bald nur noch bei Einsatz forensischer Analysetechniken möglich sein. Die Glaubwürdigkeit von Bildern ist damit generell in Frage gestellt. Der Manipulation ist Tür und Tor geöffnet. Für das Medium Fotografie bedeutet dies eine Verunsicherung.
Die Wiederkehr des Verständlichen
Mit großem Publikumserfolg präsentiert die Kunsthalle Mannheim derzeit Die Neue Sachlichkeit – Ein Jahrhundertjubiläum. Neben dem Aspekt einer Rückschau auf die 1925 von Gustav Friedrich Hartlaub kuratierte Vorgängerausstellung Die neue Sachlichkeit. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus drängen sich weitere Gedanken auf, denn das aktuelle Interesse mag auch mit einem gewissen Ermüdungseffekt hinsichtlich der nicht selten schwer verständlichen Moderne zu tun haben. Dann wäre die heutige Faszination vergleichbar mit der Lage um 1925, als es nach dem Expressionismus einen Drang zu einer neuen Gegenständlichkeit gab, ohne dabei in den beschaulichen Naturalismus früherer Zeiten zurückfallen zu wollen.
Anschein und Gehalt
Walter Benjamin nimmt in seiner Kleinen Geschichte der Photographie Bezug auf Bert Brecht, der sich mit dem Wahrheitsgehalt des fotografischen Bildes befasst hatte. Die Lage, meinte dieser, wird dadurch so kompliziert, dass weniger denn je eine einfache ´Wiedergabe der Realität` etwas über die Realität aussagt. Eine Photographie der Kruppwerke oder der A.E.G. ergibt beinahe nichts über diese Institute. Die eigentliche Realität ist in die Funktionale gerutscht. Die Verdinglichung der menschlichen Beziehungen, also etwa die Fabrik, gibt die letzteren nicht mehr heraus. Es ist also tatsächlich, etwas ´aufzubauen`, etwas ´Künstliches`, ´Gestelltes`.
Surreale Wunderwelten
André Breton, theoretisierender Großmeister des Surrealismus, schrieb 1929 im Vorwort zu La femme 100 têtes des Freundes Max Ernst: Alle dinge sind anderen verwendungszwecken zugedacht als denen, die wir ihnen im allgemeinen zubilligen. Gerade von der bewußten preisgabe ihres ursprünglichen zweckes (...) lassen sich gewisse transzendente eigenschaften ableiten, die einer anderen gegebenen oder möglichen welt angehören. Mit anderen Worten, einzelne Objekte werden in der bildlichen Darstellung mit ihren denkbaren Eigenheiten präziser wahrgenommen, wenn sie aus dem üblichen Kontext herausgetrennt und in ungewohnte Zusammenhänge mit anderen Dingen gebracht werden. Vertrautes wird auf diese Weise fremd und will neu erforscht werden.
Edward Westons expressiver Realismus
Zu den stilprägenden Wegbereitern der Fotografie des Zwanzigsten Jahrhunderts zählt Edward Weston. Seine Arbeiten entspringen, wie Ansel Adams es einmal beschrieb, einer tiefen Intuition, die trotz aller Detailtreue den Kräften des Abgebildeten außerhalb des Faktischen nachspürt und sie in eine bildliche Symbolsprache übersetzt. Viele von Westons Fotografien wirken vielleicht gerade deshalb so zeitlos. Über eine strenge Gestaltung hinaus vermitteln ihre Formen und Flächenproportionen eine unmittelbare Evidenz, der man sich kaum entziehen kann.
Jahreswechsel. Innehalten.
Die meisten sogenannten Kunstfotografien, ganz zu schweigen von den Aufnahmen der Amateure, unterscheiden sich technisch deutlich von der kommerziellen Produktfotografie, bei der nicht selten Bilder mit 100 MP Auflösung für riesige Werbeformate verlangt werden. Solche Datenmengen mögen zwar auch bei den Fotografien digitaler Großformatmeister wie Andreas Gursky eine Rolle spielen, für die übrige bildmäßige Fotografie, die sich nicht selten an klassischen analogen Vorbildern in kleineren Formaten orientiert, sind sie jedoch als technologischer Overkill häufig vollkommen überflüssig.
Der Junkers-Windkanal
Im Technikmuseum Hugo Junkers in Dessau ist die legendäre JU 52 ausgestellt, darüber hinaus kann Weiteres aus der Welt der Fliegerei besichtigt werden. Und es gibt Apparate der Klimatechnik und ein Stahlhaus zu sehen. Das weitläufige Areal um das Museum ist im Übrigen eng verbunden mit der Deutschen Geschichte. So wurde im Jahr 1925 eine Start- und Landebahn zur Erprobung von Flugzeugen angelegt. Von hier erfolgten auch die Versuche einer Atlantiküberquerung. Die Lufthansa nutzte den Flughafen in den 1930er Jahren für das reguläres Liniennetz. In der Zeit des Eroberungsimperialismus der Nazis dienten die Junkers-Werke der militärischen Aufrüstung. Nach dem Krieg wurden die Fluganlagen zunächst von sowjetischen Einheiten, später von der Volkspolizei und der NVA genutzt. Heute dienen sie in abgespeckter Form als Regionalflughafen für Kleinflugzeuge.