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Hinweise auf Ausstellungen; Rezensionen von Büchern; Interviews mit Fotografierenden, Kunstschaffenden und Medienaktiven; Anmerkungen zur Geschichte und Theorie der Fotografie; Kommentare zur Kultur; Berichte zum Zeitgeschehen und von Reisen.

Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Der Schauder beim Anblick des Genialen

Gute Fotografie ist zu 95 Prozent das Ergebnis gelernten Handwerks. Gleichwohl wird den genialen fünf Restprozenten oftmals eine größere Bedeutung beigemessen. Im Übrigen gilt dies für jede Kunst. Aber so sind wir nun einmal konditioniert: Ein Künstler oder eine Künstlerin gilt vor allem dann etwas, wenn er oder sie den Eindruck erweckt, Transzendentes hinter den Erscheinungen erfasst zu haben und dieses im Werk zum Ausdruck bringt. Trotz aller skeptischen Erkenntnistheorien von Platon und Kant bis zur Postmoderne suchen wir nun einmal gerne nach dem Eigentlichen hinter den Dingen, wohl wissend, dass dies im Sinne letzter Wahrheiten nicht zu haben ist.

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Das hätte mein Kind malen können

Die herkömmliche Grenzziehung zwischen ernster Hochkultur und ihrer populären Unterhaltungsschwester ist fragwürdig geworden. Nun ist dies keine neue Erscheinung. Es hat bereits mit der Postmoderne und dem Anything goes begonnen, wenn nicht noch früher mit Dada, dem Surrealismus oder schon dem Impressionismus. Die Etablierten fühlten sich stets von den Regelverletzern bedroht, obwohl viele von diesen anstrebten, nicht nur als Avantgardisten wahrgenommen zu werden, sondern selbst Teil der Hochkultur zu sein. Wie etwa Warhol, der wie kaum jemand zuvor das populäre Pferd ritt, gleichzeitig jedoch zum künstlerischen Establishment gezählt werden wollte, ob nun ironisch gemeint oder nicht.

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Übermütige Architektur

Die Kongresshalle am Rand des Berliner Tiergartens, heute Haus der Kulturen der Welt, zählt zu den spektakulären Bauten der Moderne. Errichtet wurde sie als US-amerikanischer Beitrag zur Interbau 1957, dessen Zentrum im nahegelegenen Hansaviertel lag. Das heutige Erscheinungsbild der Kongresshalle weicht vom ursprünglichen Zustand ab. Das Dach schwang einst noch ausladender, stürzte aber im Jahr 1980 in sich zusammen. Die statischen Berechnungen der gewagten Konstruktion, die Qualität der verwendeten Materialien oder die Wartung des Bauwerks hatten nicht zusammengepasst. Warnende Hinweise gab es bereits bei der Planung. Sie wurden nur teilweise berücksichtigt. Das bis zum Jahr 1987 rekonstruierte Dach ist im Vergleich zum ursprünglichen Zustand verkürzt.

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Kompensation von Verlustängsten oder Kulturgutbewahrung

Warum werden immerzu neue Museen gebaut? Gibt es nicht schon genug von ihnen? Offenbar soll möglichst viel von dem aufbewahrt werden, was in der Vergangenheit an Artefakten entstanden ist und künftig entstehen wird? Dabei handelt es sich nicht nur um Kunstwerke im strengen Sinne. Museen gibt es ebenso für technische Geräte, Lippenstifte, Briefmarken, Kuckucksuhren und dergleichen, daneben für historische Epochen, ganze Kulturen, subkulturelle Lebensweisen sowie Sportaktivitäten, Hobbys und Seltsames aller Art. Kurz, Künstlerisches, Profanes und Ideelles soll durch Museen vor dem Vergessen geschützt werden. Dahinter verbirgt sich offenbar eine Angst vor Verlusten.

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100 Jahre Zauberberg

Abgründe wurden erkennbar und es deutete sich an, dass die Dinge aus dem Gleichgewicht geraten und in eine Schieflage, gar einen unaufhaltbaren Strudel geraten könnten. Subkutan schlichen sich in der Davoser Höhe die Vorboten der Katastrophen an, die das Zwanzigste Jahrhundert bestimmen sollten. Die Gefühle einiger tuberkulöser Seelen waren Symptome, die sich verallgemeinern ließen. Das Sanatorium oben in den Bergen bot vor dem Kriegsausbruch 1914 eine letzte Bühne für das gerade noch zivilisiert arrangierte Vorspiel.

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Die Stahlhäuser in Dessau

Um den Hausbau zu rationalisieren, widmeten sich die Architekten des Bauhauses, voran Walter Gropius, in den 1920er Jahren der Idee des Seriellen. So entstanden in Dessau neben dem ikonischen Lehrgebäude auch die Meisterhäuser, die bereits das Prinzip der Wiederholung andeuteten. Noch prägnanter zeigte sich dieses bei den mehr als 300 Reihenhäusern der Siedlung Törten im Süden der Stadt.

Zur gleichen Zeit rückte der Werkstoff Stahl in den Fokus, nicht zuletzt aufgrund seiner Möglichkeit zur Vorfertigung. So entwarfen und realisierten der Bauhaus-Meister Georg Muche und der Architekt Richard Paulick ein Stahlhaus in der Nähe der Reihenhaussiedlung Törten.

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Plapperei im Kunstbetrieb

Was unter guter oder gar künstlerischer Fotografie verstanden wird, unterliegt Schwankungen und Entwicklungen. Vieles von dem, was heute als ansprechend betrachtet wird, ist morgen, vielleicht auch erst übermorgen, nichts weiter als Schnee von gestern. Bestenfalls werden die Dinge in der Abteilung Fotografiegeschichte abgelegt. Ist dieser volatile Mechanismus erkannt, öffnet sich der Weg zum befreiten Fotografieren. Hier liegt der grundlegende Unterschied etwa zum Wissenschaftssystem. Um dort anerkannt zu werden, hat man dessen Regeln zur Hypothesenbildung und ihrer Prüfung zu folgen. Ganz anders in der Kunst einschließlich der Fotografie.

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Die Neue Sachlichkeit der 1920er Jahre

Das Jahr 1925 lässt sich als eines der Schlüsseljahre der Moderne bezeichnen. Grund für einen Rückblick. So bereitet sich etwa die Kunsthalle Mannheim auf die Ausstellung Die Neue Sachlichkeit – ein Jahrhundertjubiläum vor, die im November eröffnet wird. Als Appetizer ist im alten Jugendstilgebäude schon jetzt die Sonderausstellung Hart & direkt – Zeichnung und Grafik der Neuen Sachlichkeit zu sehen. Der Titel klingt nach einer Veranstaltung für Spezialisten. Aber auch hinsichtlich der Geschichte der Fotografie bietet sie einiges zu derem Verständnis.

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Künstliche Intelligenz und die Kühlschrankfrage

Die Leistungen Künstlicher Intelligenzen (KI) gehen schon heute deutlich über das hinaus, was noch vor wenigen Jahren lediglich von ein paar Visionären angedacht wurde. Aber es gilt, die Begleiterscheinungen im Auge zu behalten. So wird beklagt, dass vielen kreativ Tätigen das Wasser bis zum Hals stehe, wie kürzlich einem Beitrag des Börsenblattes zu entnehmen war, der die Ergebnisse eines Gutachtens der Initiative Urheberrecht zusammenfasst. Der Kernpunkt: Eine Handvoll Konzerne aus den USA und China hat sich das gesamte digital verfügbare Weltwissen einverleibt, ohne Zustimmung, ohne Vergütung und ausdrücklich ohne Transparenz über die Provenienz der Trainingsdaten.

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