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Hinweise auf Ausstellungen; Rezensionen von Büchern; Interviews mit Fotografierenden, Kunstschaffenden und Medienaktiven; Anmerkungen zur Geschichte und Theorie der Fotografie; Kommentare zur Kultur; Berichte zum Zeitgeschehen und von Reisen.

Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Fotografie als Kunst

Dem gemalten Bild fehlt das technisch zwingende Kriterium der Fotografie, ein indexikalischer Repräsentant von etwas Realem zu sein. Jede Fotografie ist, im Gegensatz zur Malerei, auf die Lichtabstrahlung von Objekten angewiesen, die auf einem Speichermedium, Film oder Sensor, festgehalten werden. Es gibt keine Kamerafotografie, die per se und autonom nur für sich selbst steht. Sie muss sich deshalb die Frage gefallen lassen, ob hier überhaupt von Kunst gesprochen werden kann. Schließlich ist das fotografische Bild nicht vollständig künstlich.

Nun ist jede Definition von Kunst eine kontingente Angelegenheit. Es würde immer auch anders gehen. Dennoch gibt es Begriffsumkreisungen ohne Letztgeltungsanspruch, die Plausibilität beanspruchen dürfen, etwa die des amerikanischen Kunsthistorikers Michael Fried, der im Jahr 2008 (dt. 2014) mit Warum Photographie als Kunst so bedeutsam ist wie nie zuvor einen umfangreichen Essay vorgelegt hat.

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Wolfgang Tillmans in Dresden

Nimmt man das Besucherinteresse bei Ausstellungen, die Urteile der professionellen Kunstwelt oder die Verkaufserlöse seiner Werke als Gradmesser, zählt Wolfgang Tillmans zu den Spitzenvertretern der internationalen Fotokunst. Große Museen in London, Berlin oder New York haben ihm Ausstellungen gewidmet, nun ist Dresden an der Reihe. Die Schau im Albertinum nennt sich Wolfgang Tillmans. Weltraum. Zwar spielt hier und da der Space auch eine Rolle, mehr jedoch bildet die Welt als Raum mit ihren mannigfaltigen Facetten den Rahmen für fotografische Reflexionen und spontan erscheinende, meist jedoch sorgfältig komponierte Bilder.

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Das große Knipsen

Martin Walser beginnt im Jahr 1960 eines der Kapitel des Romans Halbzeit mit einem inneren Dialog: Aber Gott kann doch, als er den Menschen bastelte, nicht schon mit der Erfindung der Photographie gerechnet haben! Doch, hat er, muss er, schließlich weiß er alles schon im voraus. Dann sind aber die, die lebten, bevor das große Knipsen begann, ganz schön geprellt worden. Sind sie, sind sie. Je früher geboren, desto schlimmer!

Walsers Anmerkungen zur Fotografie haben Entwicklungen vorweggenommen, mit deren Erscheinungsformen wir es heute zu tun haben. Fotografieren ohne Ende. Das große Knipsen. Einige Jahre nach Walsers Roman erschien im Kino Das große Fressen. Eine dekadente Veranstaltung Frustrierter, die ins Übermäßige ausartete, bis zum Kotzen, bis zum Tod.

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Wittgenstein: Logik und Kunst

Es bleibt verwirrend. Jeder Versuch einer Definition von Kunst und damit auch der künstlerischen Fotografie endet in der Regel mit dem Hinweis auf die notwendige Berücksichtigung ihrer Entstehungsbedingungen. Kunst an sich gibt es nicht, eine zeitlose, kulturunabhängige Definition ebenso wenig. Ewig Geltendes ist nicht zu haben, obgleich es seit Menschengedenken eine Suche, ja eine Sehnsucht nach zeitlosen Wahrheiten gibt. Ein Ausdruck dafür sind Mythen und Religionen. Diese kollidieren in der Moderne jedoch mit dem Rationalismus der Aufklärung und dem szientistischen Herangehen der instrumentellen Vernunft. Bei dieser geht es um nutzbares Wissen, während Mythos und Religion den Normen eines wissenschaftlichen Urteils und der Verwertbarkeit gerade nicht entsprechen. Gleichzeitig jedoch können sie dem aufnahmebereiten Empfänger logikunabhängige Gewissheiten verschaffen. Ähnlich scheint es mit der Kunst zu sein.

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Anmerkungen zu den Sieben Todsünden

Das alte Kirchenkonzept der Sieben Todsünden weist zahlreiche Unschärfen und Ambivalenzen auf. Vor allem jedoch hindert der antiquiert wirkende Beiklang daran, sich näher mit Hochmut, Neid, Zorn, Trägheit, Geiz, Völlerei oder der Ausschweifung zu befassen. Die Begrifflichkeiten scheinen zu sehr mit Vorstellungen eines Fegefeuers verbunden, als dass sie zu einer diskursiven Beschäftigung einladen. Subkutane Abwehrhaltungen erschweren oder verhindern eine inhaltliche Reflexion. Mit mittelalterlichen Kirchendogmen, mit Sünde und Teufel will man nichts mehr zu tun haben. Dabei wird übersehen, dass in Teilen der Gegenwartskultur bestimmte Elemente dieser Normen weiterhin eine Rolle spielen. Dass es dabei auch zu einer Umkehrung der Verbote in ihr Gegenteil kommt, macht die Sache nicht einfacher.

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Das Private wird politisch

Seit es Gesellschaften gibt, besteht ein Spannungsverhältnis zwischen den kollektiven Anforderungen an den Einzelnen und dessen Behauptungen gegenüber dem sozialen Umfeld. Gleichwohl bilden Individuum und Gesellschaft zwei Pole, die nicht voneinander zu trennen sind. In der Öffentlichkeit treffen sie aufeinander. Den Gegenpart bildet das Private. Die Verhaltensweisen in beiden Bereichen haben sich im Laufe der Zeit grundlegend verändert. Einiges von diesem Prozess spiegelt sich in der Praxis der Fotografie wider. Der heute in den Sozialen Medien zur Gewohnheit gewordene öffentliche Umgang mit privaten Bildern war noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar.

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Fotografien eines Wandels

Es war in den 1950er Jahren, als ein Amateurfotograf durch das im Thüringischen gelegene Berka streifte und Bilder vom Gemeinschaftsleben seines Heimatortes in der noch jungen DDR festhielt. Die Aufnahmen vermitteln eine optimistische Grundstimmung zwischen dem neugewonnenen Alltag nach dem Krieg und den Bemühungen des ostdeutschen Staates um Identitätsbildung. Fotografien von Hochzeitsfeiern und vom Karneval oder von der Arbeit in den landwirtschaftlichen Betrieben stehen neben Bildern vom Fahnenappell der Jungen Pioniere und Symbolen der sozialistischen Propaganda. Fotograf war der 1929 geborene Ludwig Schirmer, seit 1953 Müllermeister in Berka. Erfolge bei Fotowettbewerben führten ihn schließlich zu professionellen Auftragsarbeiten für regionale Betriebe und Ende der 50er Jahre zur Aufnahme in den Journalistenverband.

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Fotografie als symbolische Konstruktion

In den frühen Jahrzehnten der Fotografie im 19. Jahrhundert mussten Portraits, technisch bedingt, mit langen Belichtungszeiten aufgenommen werden. Die starre Haltung der Abgebildeten ergab dabei inmitten einer Atelierkulisse mit Säulen und Palmen eine Bildanmutung mit Verwandtschaft zur klassischen Statue. Alles wirkte wenig lebendig, und die Beteiligten erschienen wie Rollenträger, die sich an bürgerlichen Statusidealen orientierten. Vergleichbares gab es in der Antike. Schon die Funktion der klassischen Statue bestand in der Repräsentation eines Idealkörpers mit wohl definierten Proportionen. Figuren wurden nicht als Verdoppelung eines lebendigen Realitätsvorbildes geschaffen, sondern als Symbol für eine Idee.

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Paul Strand und die fotografische Moderne

Seit ihren Anfängen warf die Fotografie einen Seitenblick auf die traditionellen Künste. Bald schon erhob sie den Anspruch, die Dinge exakter abbilden zu können, als es deren Techniken vermochten. Später mischte sich das Ansinnen hinzu, selbst Kunst sein zu wollen und nicht nur als Nachahmung der naturalistischen Malerei zu gelten. Dem lagen zwei Denkweisen zugrunde, eine handwerklich bestimmte und eine künstlerische. In den ersten Dezennien des Zwanzigsten Jahrhunderts fand die Fotografie schließlich zu einem Selbstverständnis, das beides vereinte. Exemplarisch dafür sind die Bilder von Paul Strand. In wenigen Jahren veränderte sich deren Anmutung vom Piktoralistischen hin zur Straight Photography, dem ersten eigenständigen fotografischen Stil.

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