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Hinweise auf Ausstellungen; Rezensionen von Büchern; Interviews mit Fotografierenden, Kunstschaffenden und Medienaktiven; Anmerkungen zur Geschichte und Theorie der Fotografie; Kommentare zur Kultur; Berichte zum Zeitgeschehen und von Reisen.
Über den Rahmen hinaus
Im Jahr 2009 erschien in deutscher Übersetzung der Roman Unrast der späteren Nobelpreisträgerin für Literatur, Olga Tokarczuk. Als bequemes Werk mit eingängigem Handlungsstrang lässt es sich nicht lesen, eher als Montage verschiedener Genres. Mal sind es Reiseberichte der polnischen Autorin, mal Kurzgeschichten und Tagebuchnotizen. Oder Reflexionen zur Zeitgeschichte beziehungsweise Themen der Philosophie sowie Überlegungen zur Reisepsychologie. Alles ist in Bewegung.
Wunderknabes Schnappschüsse
Wohin soll es führen, wenn so ziemlich alles, was mit irgendeinem Gerät geknipst wird, in einer Ausstellung auftauchen kann? Oder schon ein paar Smartphonebilder ausreichen, um vom Feuilleton beachtet zu werden? Allerdings werden es kaum die von Erika oder Max Mustermann fotografierten Bilder sein, die uns da begegnen. Da braucht es schon eines prominenteren Namens. Und eines Kunstbetriebes, der das Ganze befeuert. Erst der Bekanntheitsgrad eines Fotografen erzeugt bei professioneller Vermarktung eine einigermaßen verlässliche Aufmerksamkeit. Dazu passt als Resonanzboden ein Publikum, das sich willig dem gut vorbereiteten Hype hingibt. Eigentlich nichts Neues in der Kunstszene.
Die Fragilität des Alltags
Beim Einsturz der Dresdener Carolabrücke ist niemand zu Tode gekommen oder verletzt worden. Aber das war reine Glückssache. Die Folgeschäden sind hingegen gravierend. Der Stadtverkehr und die Schifffahrt werden für längere Zeit beeinträchtigt sein. Soweit die nüchternen Tatsachen. Darüber hinaus erinnert der Einsturz an die Zerbrechlichkeit des Seins und berührt eine emotionale Komponente. Die technische und zivilisatorische Konstruktion des Alltags scheint ständig bedroht. Das mag man negieren oder verdrängen wollen. Der Alltag wäre ohne eine gewisse Grundsicherheit schließlich kaum zu ertragen.
Die Revolution frisst ihre Kinder
Das Fotografieren mit einem herkömmlich als Kamera bezeichneten Apparat ist eine aussterbende Kulturtechnik. Demnächst muss wohl Artenschutz beantragt werden. Dabei hatte die Verbreitung digitaler Kameras in den 1990er Jahren so hoffnungsvoll begonnen. Die Bildqualität war zwar anfangs noch nicht überzeugend, aber wer die weiteren technischen Entwicklungen richtig zu antizipieren wusste, dem war schon damals klar, wohin die Reise gehen würde. Heute sind digitale Kameras ihren analogen Vorgängerinnen in vielerlei Hinsicht haushoch überlegen.
Von Thüringen nach Berlin
Die Geschichte des Bauhauses ist gut dokumentiert. Zumindest die Zeit in Weimar und Dessau. Etwas weniger beachtet ist die letzte, kurze Phase in Berlin. Alles zusammen ist es die Geschichte einer Vertreibung und der Auslöschung.
Nationalsozialistischen, aber auch konservativen Kreisen waren die Gedanken des universalistisch, emanzipatorisch und gedankenliberal orientierten Ansatzes von Beginn an ein Dorn im Auge. Ihnen gegenüber wurde ein völkisches Identitätsdenken in Stellung gebracht, das die politischen Absichten mit passenden kulturellen Hegemonievorstellungen flankierte.
Elitäres in Graz
Die am vergangenen Wochenende zu Ende gegangene Ausstellung Actinism der Camera Austria mit einer Serie schwarzweißer Pflanzenaufnahmen von Anouk Tschanz im Haus der Kunsthalle Graz hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Spontan stellte sich zunächst eine gewisse Ratlosigkeit ein. Schwarzweiß fotografierte Blätter, Sonnenblumen und Steine in Serie, nun ja. Nicht so spannend. Die nachgehende Beschäftigung führte dann aber doch zu weiteren Gedanken: Wollen die farblosen Aufnahmen vielleicht ein Hinweis auf das konstruktivistische Wesen der Fotografie sein? Und wen interessiert so etwas heutzutage?
Sozialistischer Klassizismus (4)
Warum sich die Architekten der Stalinallee in den 1950er Jahren an sowjetischen Vorbildern orientierten und nicht an der modernen Bautradition der Weimarer Republik, lässt sich aus der Zeit heraus und mit Blick auf die politischen Abhängigkeitsverhältnisse erklären. Walter Ulbricht und andere waren im Moskauer Exil nicht nur ideologisch, sondern auch ästhetisch geprägt worden. Die Hauptstadt der DDR sollte aussehen wie die des großen Bruderstaates.
Sozialistischer Klassizismus (3)
Eines der prägenden Stilmerkmale der Bauten der Stalinallee, heute Karl-Marx-Allee, sind ihre zahlreichen Säulen. Waren diese in der Antike als tragende, himmelwärts weisende Elemente vorwiegend für sakrale Tempelbauten verwendet worden, wurden sie mit dem architektonischen Klassizismus des 19. Jahrhunderts für weltliche Repräsentationsbauten profanisiert und selbst für Bahnhöfe und Börsen genutzt. Kaum ein Name steht für den neoklassizistischen Baustil prägender als der Karl Friedrich Schinkels. Der sozialistische Klassizismus der 1950er Jahre knüpfte an genau dieser Traditionslinie an.
Sozialistischer Klassizismus (2)
Die Bauten der Berliner Stalinallee aus den 1950er Jahren, heute Karl-Marx-Allee, sind durch eine Reihe prägnanter, am Klassizismus orientierte Stilmittel gekennzeichnet. Kolonnaden im italienischen Stil, zahlreich verbaute Säulen, Dreiecksgiebel und andere antike Formen sowie Reliefs und Ornamente offerieren einen historisierenden Gesamteindruck, der trotz aller Monumentalität der bis zu 300 Meter langen Gebäudeblöcke nicht erdrückend wirkt. Einzelne zurückgesetzte Bauteile mit unterschiedlichen Geschosszahlen sowie der breite Straßenzug unterstützen diesen Eindruck.