Wird dem analogen Bild ein Beweischarakter zugeschrieben, weil sich infolge der Lichtabstrahlung die vor der Kamera befindlichen Dinge im Negativ einprägen, so ist dies nicht weit entfernt vom Prinzip der Gusstechnik in der Bildhauerei. Zunächst wird ein Objekt als Tonform modelliert. Anschließend wird ein Abdruck genommen, der als Gussform dient. Wie beim fotografischen Verfahren wird aus diesem Negativabdruck das Positiv gebildet, etwa als Bronzeguss.
Bevor sich im 19. Jahrhundert die neue fotografische Technik etablieren konnte, hatten die Camera obscura, die Laterna magica oder der Schattenschnitt einige maschinell unterstützende Verfahren zur bildlichen Darstellung realer Objekte angeboten. Durch die Verbesserung der fotografischen Prozesse, die nicht lange auf sich warten ließ, entstand dann jedoch etwas Neues. Mit Hilfe der Kamera ließen sich direkte Abdrücke der dinglichen Realität nehmen.
Alle fünf Jahre lädt Kassel zur großen Schau zeitgenössischer Kunst ein. Zu Beginn der fünfzehnten documenta sorgte zusätzlich die Debatte um antisemitische Begleittöne für Aufmerksamkeit. Die Medien und Feuilletons hatten ihren Stoff, die Urteile zur Veranstaltung fielen meist ablehnend bis skeptisch aus. So war kaum zu vermeiden, dass der eigene Besuch mit gemischten Erwartungen erfolgte. Diese wurden nicht enttäuscht.
Das fotografische Bild als konservierter Ausschnitt aus dem Strom des Geschehens büßt vor dem Hintergrund stetigen Wandels trotz vieler anderer Medienangebote nichts an Attraktivität ein, denn gerade die Veränderungen des Alltagslebens rufen ein Bedürfnis nach Erinnerungsmaterial hervor. Die Komplexität des eigenen Seins soll gebändigt werden. Darüber hinaus geht es um die Sicherung der Identität.
Die Stadtplanung der 1960er und 70er Jahre brachte Monströses hervor wie die Brücke über den Breitenbachplatz. Auf dem Weg zur autogerechten Stadt zerstörte man einen gewachsenen Organismus und schuf eine brutal anmutende Verkehrsführung. In West-Berlin und der Bundesrepublik wurde seit den 1950er Jahren mehr historische Stadtsubstanz vernichtet als im Zweiten Weltkrieg. Alexander Mitscherlich sprach schon 1965 von der Unwirtlichkeit unserer Städte.
Nietzsche hatte schon vor Freud herausgearbeitet, dass Vorlieben und Meinungen von unbewussten Affekten gesteuert werden. Meistens geht es um Anerkennung. Unabhängig davon lässt sich für vieles, das als schön oder gut beurteilt wird, eine rational wirkende Begründung finden, selbst wenn diese gequält oder konstruiert erscheint. Häufig spürt man das dünne Eis und ahnt, dass es nur die halbe Wahrheit ist. Oder gar keine. Rationalisierungen sind allgegenwärtig.
Gute Fotografie ist zu 95 Prozent das Ergebnis gelernten Handwerks. Gleichwohl wird den genialen Restprozenten oftmals eine größere Bedeutung beigemessen. Im Übrigen gilt dies für jede Kunst. Aber so sind wir nun einmal konditioniert: Ein Künstler oder eine Künstlerin gilt vor allem dann als meisterhaft, wenn er oder sie den Eindruck erweckt, Transzendentes hinter den Erscheinungen erfasst und es im Werk zum Ausdruck gebracht zu haben.
Für den Katalog zur Weltausstellung der Photographie, die im Jahr 1964 in verschiedenen europäischen Städten stattfand, verfasste Heinrich Böll einen Prolog, der sich mit dem moralischen Potential der Fotografie und der Gratwanderung zwischen einer voyeuristischen, effektheischenden und mitunter menschenverachtenden Darstellung auf der einen Seite und den Möglichkeiten einer empathischen, respektvollen Form andererseits beschäftigt.
Beständig sind wir bemüht, uns ein Bild von der Welt zu machen. Dies gilt im übertragenen Sinne, aber auch wörtlich. Die Wahrnehmung und die Verarbeitung einströmender Eindrücke fordern Strukturierung sowie eine Reduktion auf das Wesentliche. Um einem Kollaps des Kognitionssystems zu begegnen, wird die Unübersichtlichkeit der nahezu unendlichen Informationsmenge eingedampft.
In Essays und Blogbeiträgen werden auf fotosinn seit Mai 2017 ausgewählte Aspekte aus Geschichte, Theorie und Ästhetik der Fotografie aufgegriffen. Ziel ist nicht die Verbreitung fixer Wahrheiten, sondern die Reflexion der Arbeit mit der Kamera. Theorie ist kein Selbstzweck. Auch geht es nicht um das strenge Abwägen wissenschaftlicher Positionen, sondern um die Entwicklung einer Sichtweise, die für die praktische Fotografie hilfreich sein mag und sich als gemäßigt konstruktivistisch beschreiben lässt.
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