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Hinweise auf Ausstellungen; Rezensionen von Büchern; Interviews mit Fotografierenden, Kunstschaffenden und Medienaktiven; Anmerkungen zur Geschichte und Theorie der Fotografie; Kommentare zur Kultur; Berichte zum Zeitgeschehen und von Reisen.
Verschiedene Bilder in einer Fotografie
Der japanische Fotograf Daido Moriyama meinte einmal, er könne nicht jedes Bild erklären, das er gemacht habe. Das verwundert nicht. Viele Fotografien, insbesondere Schnappschüsse auf der Straße, entstehen spontan. Meist gibt es mehrere, auch unbewusst bleibende, Gründe, warum gerade in diesem einen Augenblick der Auslöser betätigt wurde. Das Gefühl spielt dabei offenbar eine gewichtige Rolle. Dieses begründen zu wollen, gerät jedoch schnell in den Strudel wohlfeiler Rationalisierungen, um einem Betrachter des Bildes irgendetwas Interessantes zu offerieren. Mitunter wird auch der Versuch unternommen, ein Bild schriftlich zu erklären.
Anarchie im fotografischen Bild
Nur selten werden bei der Betätigung des Kameraauslösers sämtliche Informationen registriert, die in genau diesem Augenblick auf den Film oder die Speicherkarte gelangen. Erst bei der späteren Betrachtung fallen Details auf, die zuvor beim Blick durch den Sucher nicht bemerkt wurden. Manchmal wird das Ergebnis als störend empfunden, wenn etwa ein Vogel vor Tante Ernas Gesicht vorbeiflattert, mitunter jedoch machen gerade die anarchischen Dinge den Reiz einer Aufnahme aus. Dieser doppelte Charakter einer Fotografie, einerseits Ergebnis einer subjektiven Bildkonstruktion, andererseits objektive Abbildung dessen zu sein, was sich im Augenblick der Aufnahme vor der Kamera abgespielt hat, bildet ein Spannungsverhältnis, das die Sache erst so richtig interessant macht.
Der fotografische Eintopf
In den 1910er Jahren begegneten sich in New York der Fotograf und Galerist Alfred Stieglitz sowie der Installationskünstler Marcel Duchamp. Im Umfeld der Galerie 291, die eine Plattform für Avantgardistisches bot, tauschten sie Gedanken über Kunst und Ästhetik aus. Duchamp soll dabei einmal auf die Frage, wie er es mit der Fotografie halte, sinngemäß geantwortet haben, dass er sie verehre, da sie die Malerei zu verachten lehre. Dies gelte aber nur solange, bis ein künftiges Medium seinerseits die Fotografie verachte. Ob Duchamp dies wirklich gegenüber Stieglitz äußerte oder vielleicht eher im Rahmen eines Briefwechsels mit dem Dichter und Kunstkritiker Henri-Pierre Roché, war nicht zu verifizieren. Glaubwürdig ist Duchamps Verdikt hinsichtlich der Fotografie jedoch allemal. Schließlich nahm er jede künstlerische Darstellungsform aufs Korn, sobald sie als etabliert und von allgemeinem Wohlwollen getragen galt.
Photographie auf dem Zauberberg
Vor hundert Jahren erschien die Geschichte Hans Castorps, der sich in die Davoser Höhe eines elitären Lungensanatoriums begeben hatte, um, so die ursprüngliche Absicht, für eine kurze Zeit den Vetter Joachim zu besuchen. Thomas Mann, der den Zauberberg als Bildungs-, auch als Entwicklungs- oder Erziehungsroman verstand, lässt seinen Helden am Ende schließlich sieben lange Jahre dort verweilen, die sich im Rückblick als Vorkriegsjahre darstellen. Castorp erlernt in dieser Zeit das Denken. Aus einem unbedarften Jüngling aus gutem Hause mit Ingenieurdiplom wird ein sinnreflektierender Mann, der mit ungewisser Zukunft in die Niederungen des gerade ausgebrochenen Ersten Weltkrieges zurückkehrt. Sein Schicksal bleibt im Roman offen.
Fotografie und Buchkunst vom Feinsten
Zu den herausragenden Fotografinnen und Fotografen in der DDR und darüber hinaus zählt die 1930 geborene Evelyn Richter. Ihr Name gehört in eine Reihe neben Sibylle Bergemann, Arno Fischer, Ute und Werner Mahler, Roger Melis, Harald Hauswald oder der großartigen, vor wenigen Tagen verstorbenen Helga Paris. Gemeinsam ist ihnen ein sozialdokumentarisch angelegter Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit, meist im schnörkellosen Schwarzweiß und nicht immer zur Freude der offiziellen Kulturpolitik des damaligen Staates. Eine große Einzelausstellung von Evelyn Richter gab es bereits im Düsseldorfer Kunstpalast. Gegenwärtig ist sie in Leipzig zu sehen.
Auf der Suche nach dem Wesentlichen
Bei dem kürzlich erschienen Buch Josef Koudelka: Next von Melissa Harris handelt es sich gleichermaßen um eine Biografie wie um ein Fotobuch. Die Bilder spielen bei Koudelka nun einmal eine besondere Rolle. Sie und die Texte gehen eine Symbiose ein, die das Werk des Magnum-Fotografen vor dem Hintergrund eines ereignisreichen Lebens klug ausbreitet. Biografisches kann da nicht außen vor bleiben. So präsentiert das Buch nicht nur eine Menge, mitunter ikonisch gewordener, Fotografien Koudelkas, sondern auch Bilder, die ihn selbst zeigen, aufgenommen von anderen. Hinzu kommt der Text von Harris, die Koudelka in vielen Gesprächen aufmerksam zugehört hat und auch mit Freunden, Familienangehörigen, Kollegen und Mitarbeitern sprach.
Einmal wieder: Was ist Fotografie?
Die Frage nach der Definition von Fotografie scheint vor dem Hintergrund KI-generierter Bilder, die gegenwärtig das Netz überschwemmen, so aktuell wie nie zuvor. Viele dieser Bilder sehen wie Fotografien aus, sind jedoch, strenggenommen, keine. Schließlich wurde zur Bildherstellung statt einer Kamera die Tastatur benutzt. Bestenfalls könnte darauf verwiesen werden, dass die KI-Generatoren auf fotografisches Bildmaterial zurückgreifen, mit dem sie trainiert worden sind. Selbst ohne KI steht jedoch die Frage im Raum, wie es mit dem Medium Fotografie weitergeht und wo möglicherweise die Grenzen einer Definition liegen. Das Thema ist nicht neu. Wir kommen darauf zurück. Aber auch aktuelle Ausstellungen und Debattenbeiträge schließen daran an.
Van Eyck und die Lust am Detail
Bei vielen Fotografien von Ansel Adams bis zu Andreas Gursky stellt die Detailbetonung ein wichtiges Merkmal dar. Ob unter Einsatz analoger Großformatkameras oder mit Hilfe digitaler Montagetechniken entstanden, beide Ergebnisse fordern vom Betrachter ein aufmerksames Abtasten der gesamten Oberfläche. Soll das Bild mit Sinn versehen werden, muss man die Details aufsuchen. Aber auch bei der alltäglichen Fotografie, egal ob professionell oder im freien Spiel, kommt der Bildgenauigkeit nicht selten eine paradigmatisch aufgeladene Bedeutung zu. Dabei bedarf es heutzutage lediglich ein wenig Sorgfalt und technischer Kamerabeherrschung, um detailreiche Bilder zu schaffen.
Durchhalten
Die letzten Feiertage des vergangenen Jahres sind fast schon wieder vergessen. Nun Alltag. Der Januar ist der Montag unter den Monaten. Einige der Vorsätze für Neues bröckeln bereits. Passend das Wetter, dunkel und nass. Viren in der Luft. Hin und wieder das Piepen von Vögeln, als sei der Winter schon erledigt. Neue Streckensperrungen bei der Bahn. Zusammenbruch der IT in Berlins Bürgerämtern. Sie arbeiten jetzt wieder analog mit Zetteln. Wenn überhaupt. Arme Ärzte wollen ihre Praxen schließen. Lokführer und Landwirte mimen Wut. Strippenzieher im Hintergrund treiben an. Zeitungen füllen die Seiten mit Prognosen für 2024.