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Hinweise auf Ausstellungen; Rezensionen von Büchern; Interviews mit Fotografierenden, Kunstschaffenden und Medienaktiven; Anmerkungen zur Geschichte und Theorie der Fotografie; Kommentare zur Kultur; Berichte zum Zeitgeschehen und von Reisen.

Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Die neue Empfindlichkeit

Der Fotograf und Digitalkünstler Boris Eldagsen wurde vor einigen Monaten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als sein Bild Pseudomnesia: The Electrician beim Sony World Photography Award ausgezeichnet wurde, obwohl es sich, von den Juroren unbemerkt, um ein KI-Werk handelte. Eldagsen nahm die Auszeichnung nicht an und machte öffentlichkeitswirksam auf die Problematik der neuen Bildtechnologie aufmerksam. Im Unterschied jedoch zu anderen, die KI-generierte Bilder als Übel betrachten, empfindet Eldagsen, wie er in einem Interview mit dem monopol Magazin deutlich macht, die neuen Möglichkeiten als Befreiung. Probleme bekommt allerdings auch er. Eine Ausstellung mit dem Titel Trauma Porn stieß auf Widerstände, da seine Bilder von einigen als unzumutbar empfunden wurden.

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Empfindsamkeit oder Empfindlichkeit

Mal wird an einer Hochschule ein Gedicht an der Wand übertüncht, weil es sensible Gemüter verletzen könnte, mal eine Ausstellung verhindert oder abgebrochen, weil die Bilder als unzumutbar gelten, oder, wie in einigen amerikanischen Bibliotheken, der Bestand gesäubert, weil die Werke allzu freigeistig seien. Auch hierzulande werden Bücher neu bearbeitet oder aus dem Verlagsprogramm genommen, wenn der originale Sprachduktus nicht mehr opportun erscheint. Vorsicht überall. Es breitet sich eine Empfindlichkeit aus, die stets damit begründet wird, dass irgendjemand durch die Begegnung mit inkriminierten Artefakten ein Leid erfahren könnte. Eingreifende Forderungen kommen von konservativer und religiös fundamentalistischer Seite ebenso wie von vermeintlich progressiver, feministischer, linker.

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Klare Zeilen und weise Tage

Bei Fotografien sind wir es gewohnt. Meist werden sie nachträglich bearbeitet und gefällig gemacht. Vergleichbares gibt es in der Schriftform. Bei belletristischen Werken spielt das naturgemäß keine Rolle. Anders ist dies bei Texten, die einen tagebuchähnlichen Charakter aufweisen. Wurden ursprüngliche Eintragungen vor einer Veröffentlichung verändert, erweckt dies einen manipulativen Eindruck bezüglich der einstmaligen Schreibsituation. Der Leser hat nun einmal die Erwartung, dass dem Tagebuch etwas Authentisches anhaftet. Schließlich wird es gelesen, um ein Bild von der Gemütslage und Denkweise des Autors oder der Autorin und ihren Entwicklungen zu gewinnen. Nachträgliche Änderungen machen misstrauisch und verderben die Laune.

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Lyonel Feininger als Fotograf

Wer in den 1960er und den nachfolgenden Jahren fotografisch sozialisiert wurde, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit der Fotolehre von Andreas Feininger begegnet. Damals ein Standardwerk. Nach der von den Nazis erzwungenen Flucht der Familie aus Deutschland wurde er vor allem durch seine Fotografien New Yorks bekannt. Auch die Brüder Laurence und T. Lux sowie die Schwester Eleonore waren schon seit Anfang der 1920er Jahre künstlerisch aktiv. Man sagt, dass die Befassung des Vaters mit der Fotografie nicht zuletzt auf ihren Einfluss zurückgeht, denn Lyonel Feininger fing erst um 1928 an, mit der Kamera zu arbeiten. Es entstanden zahlreiche Experimente und Straßenfotografien, viele davon in Dessau, Halle oder im thüringischen Gelmeroda.

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Die Objektivität des Objektivs

Fünf Jahre nach seinem 2017 erschienenen Roman Die Hauptstadt hat Robert Menasse mit Die Erweiterung nachgelegt. In beiden Werken geht es um den kleinsten politischen Nenner der Mitgliedsstaaten der EU und die bürokratischen Wucherungen ihrer Institutionen. Hinzu kommen einige Menscheleien. Große Literatur? Nicht unbedingt, auch wenn Die Hauptstadt mit dem Deutschen Buchpreis bedacht wurde. Aber es sind ernüchternde Kommentierungen zu einer EU, die offenbar weniger visionär als machtreal geprägt ist. Menasses erster Roman spielte in Brüssel, der zweite überwiegend in Albanien. Grundthema ist das Begehren des Balkanstaates auf EU-Mitgliedschaft. Allerlei Verwicklungen, Intrigen und ein clowneskes Ende auf einem wirr umhertreibenden Kreuzfahrtschiff bilden den Hintergrund des Plots.

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Wer beherrscht hier wen?

Lässt sich eine Kamera überhaupt steuern, wenn sie doch alles von alleine erledigen kann? Ihre Automatiken sind zwar einstellbar, aber ebenso gut kann ein Programm gewählt werden, bei dem man sich um nichts mehr zu kümmern hat. In früheren Zeiten wollte die Technik hingegen beherrscht sein und der Fotograf bzw. die Fotografin war stolz auf einen gekonnten Umgang mit dem Prozess bis hin zur Positivarbeit in der Dunkelkammer. Zufälliges spielte keine Rolle. Nur hin und wieder wurde das Unerwartete von ein paar Avantgardisten ausdrücklich gesucht. Aber das blieb die Ausnahme. Das vorherrschende fotografische Paradigma forderte die Beherrschung aller Prozesselemente und eine kontrollierte Bildgestaltung.

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Technobilder

Als der Kommunikationswissenschaftler Vilém Flusser in den 1960er Jahren begann, seine Thesen zur Fotografie zu entwickeln, gab es noch keine Digitalmaschinen mit künstlicher Intelligenz im heutigen Sinne und dementsprechend keine KI-generierten Bilder. Gleichwohl beschäftigten ihn schon damals die Besonderheiten apparategestützter Bilder. Der Begriff Technobilder stammt von ihm. Es geht darum zu verstehen, so Flusser, wie wir mit Hilfe von Apparaten, Symbolen und Codes unseren Standpunkt zur Welt entwickeln, einen Sinn konstruieren und gedanklich Ordnung schaffen.

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Bildhandwerk am Ende?

Beim Vergleich der Techniken zur Bilderstellung von der Malerei über die Kamerafotografie bis zur KI-Generierung zeigt sich eine gradlinige Entwicklung. Es geht um die dingliche Distanz zum Bild. Genauer, es ist die veränderte Rolle des Handwerklichen bei der Bilderstellung. Geht man davon aus, dass Kopf und Hand die beiden Instrumente sind, mit denen sich der Mensch die Welt erschließt und dabei seine kognitiven Fähigkeiten entwickelt, mit diesen aber auch verändernd in die Umgebung eingreift, so liegt die Frage nicht fern, welche Bedeutung der anteiligen Verschiebung der beiden Organfunktionen zukommt.

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Eine neue Bildkategorie

Seit einiger Zeit geistert der Begriff Promptography durch die fotografische Szene. Wichtigster Befürworter ist Boris Eldagsen, der vor wenigen Monaten mit einem gelungenen Streich die Diskussion um die Definition von Fotografie und deren Stiefschwestern angereichert hat. War es ihm doch gelungen, ein KI-generiertes Bild in einen renommierten Foto-Award einzuschleusen, dann jedoch den zugesprochenen Preis mit Hinweis auf dessen Entstehungsbedingungen zurückwies. Kurz darauf schlug Eldagsen vor, auf die Zuschreibung solcher Bilder als Photography zu verzichten und stattdessen die Begrifflichkeit Promptography zu verwenden.

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