Verschiedene Bilder in einer Fotografie

Der japanische Fotograf Daido Moriyama meinte einmal, er könne nicht jedes Bild erklären, das er gemacht habe. Das verwundert nicht. Viele Fotografien, insbesondere Schnappschüsse auf der Straße, entstehen spontan. Meist gibt es mehrere, auch unbewusst bleibende, Gründe, warum gerade in diesem einen Augenblick der Auslöser betätigt wurde. Das Gefühl spielt dabei offenbar eine gewichtige Rolle. Dieses begründen zu wollen, gerät jedoch schnell in den Strudel wohlfeiler Rationalisierungen, um einem Betrachter des Bildes irgendetwas Interessantes zu offerieren. Mitunter wird auch der Versuch unternommen, ein Bild schriftlich zu erklären. Aber das Medium Sprache unterscheidet sich nun einmal von dem der Fotografie. Das eine mit dem anderen zu beschreiben, mag annäherungsweise gelingen, wird jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit Lücken aufweisen.

Die Wahrnehmung und Interpretation einer Fotografie können sich im Übrigen im Laufe der Zeit verändern. Die einstmalige Spracherklärung spielt dann kaum noch eine Rolle. Das Bild will neu gesehen und neu beschrieben werden. Dies ist kein ungewöhnlicher Prozess, da doch jedes Foto, so Moriyama, verschiedene Bilder enthält.

Daido Moriyama hat wiederholt Fotobücher mit älteren seiner Bilder veröffentlicht. Die Neuzusammenstellungen hat er dabei bewusst anderen überlassen, damit das Ergebnis nicht von eigenen Erinnerungen dominiert wird, sondern die Bilder mit fremden Augen gesehen werden. Auf diese Weise bleiben sie lebendig, so seine Überlegung. Fotografien können nun einmal für jede Generation eine neue Bedeutung erhalten.

Ein lesenswertes Interview mit dem Titel Daido Moriyama on the Unending Newness of Photopraphs ist bei Aperture veröffentlicht worden.

 

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