Von Thüringen nach Berlin

Die Geschichte des Bauhauses ist gut dokumentiert. Zumindest die Zeit in Weimar und Dessau. Etwas weniger beachtet ist die letzte, kurze Phase in Berlin. Alles zusammen ist es die Geschichte einer Vertreibung und der Auslöschung.

Nationalsozialistischen, aber auch konservativen Kreisen waren die Gedanken des universalistisch, emanzipatorisch und gedankenliberal orientierten Ansatzes von Beginn an ein Dorn im Auge. Ihnen gegenüber wurde ein völkisches Identitätsdenken in Stellung gebracht, das die politischen Absichten mit passenden kulturellen Hegemonievorstellungen flankierte. Die NS-Strategie war nicht allein auf parlamentarische Mehrheiten gerichtet, sondern auf die Deutungshoheit in Fragen des sozialen Zusammenlebens und der Alltagskultur. Alles fremdartig oder ungewohnt Erscheinende galt als bedrohlich. Dumpfes Ressentiment wurde zum Programm.

Schon vor der Machtübernahme der Nazis 1933 waren die 20er Jahre durch Angriffe auf das Bauhaus gekennzeichnet. Sie begannen in Thüringen und kulminierten später in Berlin. Nach der Vertreibung zunächst aus Weimar, dann aus Dessau, blieben bis zur endgültigen Schließung nur wenige Monate. An diese erinnert heute eine nahezu versteckt angebrachte Gedenktafel an der Wand eines unansehnlichen Betonneubaus in Berlin-Steglitz:

 

Berliner Gedenktafel 

In einem früher hier stehenden Gebäude

befand sich von 1932 bis 1933 das

BAUHAUS BERLIN

Gegründet 1919 von Walter Gropius in Weimar,

weitergeführt als Hochschule für Gestaltung in Dessau,

war das Bauhaus seit den zwanziger Jahren international

wegweisend für Formgestaltung und Architektur.

Zuletzt von Ludwig Mies van der Rohe geleitet, wurde es

auf Druck der Nationalsozialisten 1932 aus Dessau

vertrieben und 1933 in Steglitz geschlossen.

Viele seiner Mitglieder wurden verfolgt oder emigrierten.

 

Die Weimarer Zeit war durch heftige politische Auseinandersetzungen geprägt. Das nationalsozialistische Milieu nahm mit zunehmender Aggressivität die internationalistischen und aus seiner Sicht volksfeindlichen Gedanken des Bauhauses ins Visier. Auf diesen Druck hin und nach den thüringischen Landtagswahlen 1924 mit konservativem Mehrheitsergebnis blieb die weitere finanzielle Unterstützung dann auch aus. Notgedrungen wurde durch die Leitung des Bauhauses der Umzug ins anhaltinische Dessau beschlossen. Zügig erfolgte dort der Bau des neuen Bauhausgebäudes sowie der Meisterhäuser, heute Weltkulturerbe.

Die relative Ruhe währte nicht lange. Bei den Gemeinderatswahlen 1931 wurde in Dessau die NSDAP stärkste Partei. Auf deren Bestreben wurde die Schließung des Bauhauses gegen die Stimmen der KPD und des Oberbürgermeisters verfügt. Diesem wurde die Förderung kommunistischer Umtriebe sowie unsittliches Treiben am Bauhaus zum Vorwurf gemacht. Die sozialdemokratischen Mitlieder im Gemeinderat, die das Bauhaus bis dahin mitgetragen hatten, enthielten sich der Stimme.

Mies van der Rohe, damaliger Leiter, forcierte nun die Umsiedlung des Bauhauses als Privatinstitut ohne staatliche Förderung nach Berlin. In Steglitz wurde ein Gebäude angemietet und im Herbst 1932 für den Schulbetrieb hergerichtet. Einige Lehrende, unter ihnen Kandinsky, Albers und Peterhans, sowie mehr als hundert Studierende folgten. Die nationalsozialistische Repression ließ jedoch auch hier nicht nach. Im April 1933 wird das Gebäude polizeilich durchsucht, Material wird beschlagnahmt, zahlreiche Personen werden festgenommen. Ein Weiterbetrieb würde nur bei Akzeptanz der NS-Ideenwelt genehmigt werden, so der folgende Erpressungsdruck.

Am 20. Juli 1933 beschließt die Konferenz der Lehrkräfte, das Bauhaus endgültig aufzulösen. Viele der Lehrenden wählen die Emigration. Andere Bauhäusler werden in den folgenden Jahren in Schutzhaft genommen oder in Konzentrationslager verschleppt. Einige von ihnen werden dort ermordet. Aber es gibt auch Anpassungen. Manche stellen sich in den Dienst der nationalsozialistischen Diktatur.

Das damalige Gebäude in Berlin Steglitz an der Birkbusch-, Ecke Siemensstraße, ein industrieller Backsteinbau, wurde 1974 abgerissen und durch einen banalen Betonklotz ersetzt. Heute erinnert lediglich eine kleine Gedenktafel an das Ende eines der prägendsten Einrichtungen für Gestaltung und Architektur des Zwanzigsten Jahrhunderts. Hinzuzufügen wäre der mahnende Hinweis auf das rechtsnationale, engstirnige Kulturdiktat mit völkischem Identitätsdenken, mit dem die damaligen Machthaber das freie Denken zum Schweigen bringen wollten. Der Faschismus hatte, vorbereitend, im Kulturellen und mit alltäglichen Narrativen begonnen. Alles Fremde, Ungewohnte und Diverse galt als bedrohlich. Die Folgen sind bekannt.

 

Zurück
Zurück

Die Revolution frisst ihre Kinder

Weiter
Weiter

Elitäres in Graz