Reich, berühmt, geliftet

Wer schon immer der Auffassung war, dass das reiche Amerika hier und dort eine recht dekadente Angelegenheit ist, kommt bei dieser Ausstellung im International Center of Photography in New York voll auf seine Kosten. Gezeigt werden unter dem Titel Generation Wealth Fotografien von Lauren Greenfield, die zuvor bereits in Los Angeles zu sehen waren. Greenfield hat über den Zeitraum von 25 Jahren die Reichen und Schönen des Landes fotografiert und so eine einmalige Dokumentation geschaffen, die am Ende aber nicht nur etwas über die zahlenmäßig kleine Klasse der Happy Few aussagt, sondern auch viel über die Wünsche und Hoffnungen von Menschen aller Schichten einer auf Wirkung bedachten Konsum- und Leistungsgesellschaft.

Greenfield beschreibt mit Hilfe der Kamera die treibenden Kräfte, die quer durch die Gesellschaft mit subkutaner Macht nach Schönheit, Berühmtheit und einem mühselig aufgebauten Anschein von Reichtum drängen. Protagonisten ihrer Fotografien sind deshalb nicht nur die alteingesessenen amerikanischen Familiendynastien, sondern viel mehr noch die neureichen Parvenüs oder die Stripperin in einem VIP-Club, auf die das Geld nur so regnet. Dass nun auch das Oval Office durch einen markanten Vertreter der Generation Wealth besetzt ist, gibt der New Yorker Ausstellung eine zusätzliche, aktuelle Note.

Das Kalifornien der neunziger Jahre bildete, so Greenfields These, ein kulturelles Muster von Schönheitsidealen und Wohlstandsattributen, das sich in den darauf folgenden Jahrzehnten weltweit verbreitet hat. Heute leben nicht zuletzt russische und chinesische Oligarchen in potenzierter Form das nach, was ursprünglich vom Jetset in Los Angeles und schließlich der übrigen amerikanischen und europäischen Schickeria zum Maßstab gemacht wurde. Was schon im 19. Jahrhundert eine Begleiterscheinung des Aufstiegs des Erwerbsbürgertums war, wiederholt sich hier. Die als Letzte zu Wohlstand Gekommenen übertreiben gerne, und zwar so sehr, dass es den alten Reichen schon peinlich ist. Gleichwohl orientieren sich gerade sozioökonomisch eher unterdurchschnittlich Positionierte an genau dieser Glamourwelt der Kardashians, bei uns in verkleinerter teutonischer Variante der Geissens.

In einem Beitrag des Magazins Guernica hat Lauren Greenfield den sozialanthropologischen Rahmen ihrer Arbeit als Fotografin erläutert, der die Entwicklung der letzten Jahrzehnte sowie die Verschiebung der grundlegenden kulturellen Werte reflektiert. Nicht nur zum Verständnis der Ausstellung im ICP ist dieses Interviews sehr zu empfehlen.

Die Ausstellung beschreibt verschiedene Aspekte der Generation Wealth, indem jeweils durch eine Serie von Fotografien die Wahrheit hinter dem schönen Schein offengelegt wird. So schildert Greenfield im Abschnitt The Cult of Celebrity Erscheinungsformen des Wahns, um jeden Preis berühmt sein zu wollen. Fotografien und Filme spielen dabei als Verstärker eine wesentliche Rolle. Die Bilder können sowohl Ergebnis professioneller Produktion sein wie auch Massenware, die in Form von Selfies oder auf YouTube verbreitet werden. Entscheidend ist der Kult, der um Stars und Sternchen geschaffen wird, selbst wenn deren Halbwertzeit kurz ist. Dennoch, die Hoffnung, über Nacht zu denen zu gehören, die im Rampenlicht stehen, ist ein wirkungsvoller Nährboden für Realityshows, Superstar-Wettbewerbe und andere Formen der möglichst breiten, öffentlichen Selbstinszenierung.

New Aging befasst sich mit der Sehnsucht nach einer nie endenden Jugendlichkeit, die zu Fitnessanstrengungen aller Art, einem umsatzstarken Markt spezieller Nahrungsmittel und schließlich zum Einsatz schönheitschirurgischer Maßnahmen führt. Der Forever-Young-Kult, der nicht nur die Berühmten und Reichen, dabei insbesondere Frauen, zu exzessiven Körperveränderungen treibt, wird mit einer Reihe unschöner Fotografien sowie einem ebenfalls in der Ausstellung gezeigten Film dokumentiert.

Der Schönheitswahn leitet zum Abschnitt Sexual Capital über. Bereits jungen Mädchen wird beigebracht, den eigenen Körper als Grundkapital zu betrachten, das eingesetzt werden kann, um auf der Anerkennungsskala hohe Punktwerte und auf der materiellen Seite attraktive Belohnungen zu erhalten. Die Erziehung hierfür beginnt mitunter bereits im frühen Kindesalter. The Princess Brand zeigt, wie Mütter alles daransetzen, mit erheblichen Dollarbeträgen ihre Töchter als Phantasieprinzessinnen auszustaffieren, um sie dann in Castingshows vorzuführen. Die Entwicklung des kindlichen Selbstbewusstseins wird auf diese Weise untrennbar mit exaltierter Mode, barbiehafter Schönheit und cinderellahaftem Auftreten verknüpft.

In Make It Rain wird der Hedonismus gezeigt, der Las Vegas mit seiner Glücksspielindustrie und den Nachtclubs bestimmt, ebenso einen Stripclub in Atlanta oder Teile der Hip-Hop Subkultur, in der mit schweren Goldketten und anderen Luxusattributen die Generation Wealth teils getoppt, teils persifliert wird. Der Zusammenhang von Vermögen, Ruhm und sexueller Attraktivität ist auch Thema des Ausstellungsabschnitts Fast Forward / I Shop Therefore I Am. Schon in den neunziger Jahren hatte Greenfield gezeigt, wie die Jugendlichen in den Vorstädten von Los Angeles alles daransetzten, sich über den Besitz spezifischer, gerade angesagter Konsumgüter zu definieren. Dieser Mechanismus hält bis heute ungebrochen an.

Eher kurios wird es bei Dream Home / Queen of Versailles. In der Ära Reagan wurde es zu einem Wettbewerb mit offenen Regeln, das möglichst größte, extravaganteste und prunkvollste Wohneigentum zu besitzen. In Florida führte dies zu einem Bauprojekt mit schlossartigen Ausmaßen, bei dem eine ehemalige Schönheitskönigin und ihr Ehemann den Versuch unternahmen, alles zu toppen, was bislang an privaten Villen gebaut worden war. Obgleich der Einsatz 75 Millionen Dollar betrug, reichte dies nicht aus, den ökonomischen Crash des Jahres 2008 zu überstehen. Das Projekt blieb unvollendet und stellt eine Allegorie auf die so oft gescheiterten Ambitionen der Generation Wealth dar. In The Fall zeigt Greenfield, wie vom Crash jedoch nicht nur Vermögende getroffen wurden, sondern mehr noch Mittelschichtangehörige, von denen viele ihren gesamten Besitz verloren.

Als Lauren Greenfield im Jahr 1987 ihre fotografischen Studien begann, war dies das Jahrzehnt der großen Euphorie. The Legacy of Gordon Gekko beschreibt in Bildern das damalige Mantra: Gier ist gut, Gier ist o.k. und Gier funktioniert. Aber nicht nur die Figuren in Oliver Stones Film gingen in ihrer Maßlosigkeit letztlich zu weit und überschritten Grenzen des Zulässigen, sondern auch im wirklichen Leben fanden sich am Ende eine Reihe von trickreichen Hedgefond-Managern, Börsenmaklern und Finanzjongleure auf der Anklagebank wieder. Das änderte nichts am weltweiten Aufstieg der Generation Wealth. Im Gegenteil, die Ausstellung zeigt im Abschnitt Bling Dynasty and New Oligarchy, wie die Neureichen in anderen Regionen der Welt das kalifornische Muster kopierten und zu weiteren extraordinären Erscheinungen trieben.

Die Ausstellung Generation Wealth ist das Ergebnis einer sich über mehrere Jahrzehnte erstreckenden Erkundung von Phänomene der Gegenwartskultur. Das hat auf den ersten Blick noch nichts mit Kapitalismuskritik zu tun, da sich die Fotografien, ihrem Wesen entsprechend, auf der Erscheinungsebene bewegen. Und dennoch verlässt man die Ausstellung bedrückt und auch zornig angesichts der hier gezeigten dekadenten Luxuswelt, die eine Vorbildwirkung quer durch die Sozialschichten entfaltet und zu zweifelhaften Lebenszielen animiert. Und so sind die Fotografien am Ende als eine bissige Gesellschaftskritik zu verstehen, die zu einer weitergehenden Reflexion der treibenden Kräfte des Wirtschaftssystems einlädt.

New York 2017

Die Webseite von Lauren Greenfield gibt einen Überblick über das Gesamtwerk der Fotografin. Die Ausstellung Generation Wealth im International Center of Photography in New York ist noch bis zum 7. Januar 2018 zu sehen. Bei Phaidon ist eine umfangreiche Monografie zur Ausstellung erschienen.

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