Ein neues Heimatmuseum für Düsseldorf
Nicht allzu häufig geschieht es, dass sich Künstler schon zu Lebzeiten um die eigene Verewigung in Gestalt eines Museumsneubaus bemühen. Man mag das für Eitelkeit halten, es gibt dafür aber auch rationale Gründe. Das Eisen will schließlich geschmiedet werden, solange es noch heiß ist. Oder, mit einer anderen schrägen Metapher: Gerät ein Stern erst einmal in den Sinkflug, ist es vorbei mit dem öffentlichen Wohlwollen und dem der politischen Entscheider und Entscheiderinnen. Da muss vorausschauend gehandelt werden.
Viel wird darüber spekuliert, ob die Zeit der Struffkys langsam dem Ende zugeht. Zwar hat Der Rhein II als bislang teuerstes Fotowerk der Geschichte vor einigen Jahren einen Verkaufserlös von mehr als drei Millionen Euro erzielt, aber die Konjunktur scheint sich für die Düsseldorfer Becher-Schüler Struth, Ruff und Gursky ein wenig abzukühlen. Schneller als früher hat sich das Publikum an bestimmten Dingen sattgesehen. Das ist weder erstaunlich noch ehrenrührig. Die Wellen im Kunstgeschmack sind nun einmal eher kürzer als länger geworden und die Umschlaggeschwindigkeit der Produkte nimmt zu. Für die zeitgenössische Fotografie scheint dies in besonderer Weise zu gelten. Aber schließlich ist das Medium selbst ein schnelles, auch wenn etwa die Werke eines Gursky aufwändig und langwierig produziert worden sind. Und dennoch, die Halbwertzeit für ihre Strahlkraft zwischen Realismus und freier Phantasie hat abgenommen. Es handelt sich im Übrigen um einen generellen Preis für die Digitalisierung der Kunst, selbst wenn die Bilder immer größer und die Techniken immer raffinierter wurden, um durch eine Erhöhung der Dosis das Aufmerksamkeitspotential am Köcheln zu halten.
Die Aahs und Oohs von gestern sind schnell vergessen. Alle Beteiligten sind deshalb aus eigenem Interesse gut beraten, sich zügig um das Konservatorische, das heißt nicht zuletzt um die stabile Werthaltigkeit der Produkte zu kümmern. Schließlich wollen deren Käufer keine Abschreibungen vornehmen müssen, weil die einstmals teuer angeschaffte Kunst plötzlich auf dem Markt nichts oder nicht mehr so viel bringt wie beim Einstieg in die Investition. Aber, hups, da sind wir ja schon wieder beim lieben Geld. Genug der Vorrede.
Wir haben des Künstlers Verdienste um die zeitgenössische Fotografie in verschiedenen fotosinn-Beiträgen ausdrücklich gewürdigt. Aber nun ist ein Punkt erreicht, an dem die Sympathie mit einer kritischen Reflexion ergänzt sein will, da sich der Meister offenbar mit dem nicht ganz uneigennützigen Ziehen von Strippen befasst. Folgt man den einschlägigen Pressemitteilungen, so gab es in der jüngeren Vergangenheit einige hitzige Diskussionen bezüglich eines neu zu gründenden Deutschen Fotoinstituts, oder wie auch immer das Museum, und um ein solches geht es letztlich, heißen wird. Gurskys meisterliche Hände spielen im Hintergrund offenbar eine gewisse Rolle.
Die Düsseldorfer Fotoschule rund um die Bechers und ihre Schülerinnen und Schüler scheint für die Würdenträger der Stadt eine ähnlich identitätsstiftende Bedeutung zu haben wie das Altbier und der Karneval. Respekt, ein solches Image muss man sich erst einmal erarbeiten. Nun ja, rheinischer Klüngel eben. Immer aktiv am Rande von Empfängen und in den wichtigen neuadligen Zirkeln aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Dass dies aus der preußischen Fernsicht, natürlich gibt es hier ähnliche Erscheinungen, nur wenig Belustigung hervorruft, kann nicht wirklich verwundern, und dass NRW bei der Verteilung von Bundesmitteln ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat, überrascht nur naive Gemüter. Bei vergleichbaren oder noch deutlich größeren Projekten haben andere Städte, nicht zuletzt Berlin, im Übrigen ähnliche Coups gelandet. Alles zum Wohle der Kunst natürlich.
Nun sind die insgesamt mehr als 80 Millionen Euro für das Deutsches Fotoinstitut offenbar grundsätzlich spendiert. Kulturstaatsministerin Monika Grütters mag sich da offiziell noch winden, weil ein paar lästige Regeln einzuhalten sind, aber das Ding scheint gelaufen. Düsseldorf bekommt das Museum, und zwar nicht irgendwo, sondern an gebührender Stelle am Ehrenhof mit dem Rhein in Sichtweite. Würde irgendjemand dem Großmeister der Fotografie einen solchen Ort verwehren wollen? Nein, Gursky und der Deutsche Fluss, das ist Heimat und somit gesetzt! Wenn schon, denn schon.
Eigentlich hätte es zunächst ein Gutachten hinsichtlich Standort und Konzept geben sollen, denn auch in Dresden, bereits Sitz der Deutschen Fotothek, hatte man Ambitionen, ebenso in Leipzig oder Essen. Aber nun hat der Haushaltsausschuss des Bundestages die Mittel für die Ansiedlung in Düsseldorf locker gemacht. Eine Kofinanzierung erfolgt durch das Land, und die Stadt stellt das Grundstück. Mit großen Worten wird nicht gespart. Für Kulturstaatsminsterin Grütters ist es ein entscheidender Schritt, um unser großes fotografisches Kulturerbe auf Dauer zu bewahren, aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ministerpräsident Laschet lobt Düsseldorf als ein lebendiges Zentrum der Fotografie, und NRWs Kultur- und Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen fasst zusammen: In Düsseldorf hat die legendäre Becher-Schule Maßstäbe für die künstlerische Fotografie in Deutschland gesetzt. Viele namhafte Fotografinnen und Fotografen von Weltruhm leben und arbeiten in Nordrhein-Westfalen, weshalb es keinen besseren Ort für das Deutsche Fotoinstitut gibt. Eine Nummer kleiner hätte es auch getan.
Konzeptionell ist noch einiges offen. Offiziell wird das jedenfalls so gesagt. Demnach stehen archivarische ebenso wie konservatorische und kuratorische Überlegungen im Raum. Man darf jedoch davon ausgehen, dass es am Ende ein Museum mit Ausstellungstätigkeit sein wird. Und hierbei wird man der Düsseldorfer Fotoschule von den Bechers bis zu den Struffkys besondere Ehre erweisen. Dass Museen im Übrigen geeignete Stätten sind, um auch den pekuniären Interessen von Sammlern und Galeristen zu dienen, dürfte nicht unbekannt sein.
Allein die konservatorischen Aspekte werden in Anbetracht der Haltbarkeitsprobleme digitaler Fotoprints eine zunehmende Bedeutung für den dauerhaften Ruhm eines Künstlers bekommen. Wenn die heutigen Originale in einigen Jahrzehnten verblichen sein werden, hilft nur noch eine Neuproduktion auf der Basis der ursprünglichen digitalen Daten. Von einer Originalsignatur durch den Künstler wird aus biologischen Gründen dann allerdings immer weniger die Rede sein können. Will ein digital arbeitender Fotokünstler deshalb unsterblich werden, muss er seinen Nachlass auf andere Weise vorbeugend regeln. Die eigenen künstlerischen Hinterlassenschaften in den Händen staatlich bezahlter Spezialisten zu wissen, ist da eine reizvolle und beruhigende Vorstellung. Und wenn das Original dann eines Tages absolut nicht mehr zu retten ist, werden strenge museale Regeln der Nachproduktion dafür Sorge tragen, dass das Spiel in gewisser Weise dennoch weitergeht und der Ruhm nicht verblasst.
Nicht weniger als ein Kompetenzzentrum mit globaler Ausstrahlung soll die neue Institution werden. Zusammen mit anderen Künstlerinnen und Künstlern wurde von Gursky vor einiger Zeit dazu der Verein zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts gegründet, der sich Anfang Januar mit einer Pressemitteilung zu Wort meldete. Nach dem obligatorischen Dank an die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Düsseldorf, die den Weg für die Erfüllung der Wünsche freigemacht haben, folgt eine knackige Zusammenfassung der Programmatik. Das „Deutsche Fotoinstitut“ soll … das kulturelle Erbe der Fotografie sichern, indem es Richtlinien und Standards für die fachgerechte Lagerung und somit den langfristigen Erhalt ihres analogen bzw. digitalen Trägermaterials etabliert. Es folgt eine Auflistung von Aufgaben und Zielen, die hier nur ausschnitthaft wiedergegeben seien: Der Erhalt von zentralen Meisterwerken der Fotografie und die Festlegung von verbindlichen Standards für deren zertifizierte Neuproduktion. Weiterhin: Die Verwaltung und Aufarbeitung bedeutender Nachlässe der Fotografiegeschichte …. Und schließlich: Digitalisierung und die Entwicklung von fachgerechter Lagerung und standardisierten Archivierungsmethoden für analoge und digitale Trägermaterialien.
Dies alles lässt sich als eine Zusammenfassung ehrenwerter Ziele lesen, denen es um die selbstlose Kulturgutbewahrung geht. Hier und dort klingen allerdings auch einige partikulare Sichtweisen und eine subkutane Platzierung persönlicher Interessen durch. Dass Düsseldorf für die Zeit der Fünfziger bis in die Siebziger Jahre als das unbestrittene und international anerkannte Zentrum der deutschen Nachkriegskunst bezeichnet und im gleichen Kontext auf die Becher-Klasse an der Staatlichen Kunstakademie Bezug genommen wird, aus derem Schülerkreis nun die staatlich alimentierte Pflege des eigenen künftigen Nachlasses erwartet wird, fällt zumindest auf. Aber warum sollte Bescheidenheit geübt werden? Denn, so die eigene Überzeugung der Akteure: Nicht nur die KünstlerInnen, sondern auch die dazugehörigen Technologie- und Produktionsbetriebe haben in den letzten Jahren Düsseldorf zum internationalen Zentrum für großformatige Fotografien gemacht.
Ja, die Düsseldorfer Spezialisten der großformatigen Fotografie. Sie sind nun offenbar dem Ziel der lebensüberdauernden Konservierung ihrer Werke in der unmittelbaren Heimat ein gutes Stück nähergekommen. Gratulation zur erfolgreichen Kampagne!