Die Stammbahn (2)

In Zehlendorf trennt sich die Trasse der ehemaligen Stammbahn, der ersten preußischen Eisenbahnlinie zwischen Berlin und Potsdam, von der bis dahin parallel verlaufenden Wannseebahn und führt auf einem direkten Weg zum Ziel. Anders die Wannseebahn, die auf Betreiben wohlhabender Kreise 1874 zusätzlich in Betrieb genommen wurde, um in einem weiten Bogen die neuen Villengegenden am Schlachtensee, in Nikolassee und in Wannsee zu erschließen.

Der Bahnhof in Zehlendorf zeugt von der Aufteilung der beiden Strecken. Während einer der Bahnsteige weiterhin von der Wannseebahn genutzt wird, ist der andere außer Betrieb und dem Verfall preisgegeben. Einstmals diente er der Stammbahn, die, aus Berlin kommend, von hier über Düppel und Kleinmachnow schließlich Potsdam erreichte.

Zunächst führt die noch gut erkennbare, eingleisige Strecke hinter dem Bahnhof Zehlendorf durch verwildertes Gelände. Reste einer ehemaligen Brücke bieten Flächen für Graffitis.

Bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges und der Sprengung der Brücke über den Teltowkanal durch die Wehrmacht wurde die Stammbahn von der Reichsbahn durchgängig bis nach Potsdam bedient. Nach dem Krieg demontierte man die Gleisanlagen der nun unterbrochenen Strecke auf östlicher Seite ab der Berliner Stadtgrenze. Übrig blieb der Stichabschnitt zwischen Zehlendorf und Düppel, der einige Jahre später elektrifiziert und fortan als S-Bahn betrieben wurde. Im Jahr 1972 fügte man zusätzlich den Zwischenbahnhof Zehlendorf-Süd ein, um die Attraktivität der von der DDR-Reichsbahn im Westen der Stadt betriebenen Strecke zu erhöhen. Auch dies eine Skurrilität der Nachkriegsjahrzehnte. Die Bemühungen blieben erfolglos. 1980 wurde der Betrieb zwischen Zehlendorf und Düppel eingestellt. Reste der Bahnsteige in Zehlendorf-Süd und Düppel sind noch gut erkennbar.

Ein Prellbock markiert den Endpunkt der ehemaligen S-Bahnverbindung. Direkt hinter dem Bahnhof Düppel verlief das Sperrgebiet der Grenze zwischen West-Berlin und der DDR.

Die Stammbahntrasse führt nun weiter durch Kleinmachnow. Eine parallel verlaufende Wohnstraße trägt ihren Namen. Man lebt hier in beschaulicher Ruhe. Aufgrund der Überlegungen zur Reaktivierung der Stammbahn sind einige Anwohner allerdings beunruhigt und bemüht, das seit Mauerzeiten gewohnte Idyll aufrechtzuerhalten. Anstelle des Wiederaufbaus der Stammbahn fordern sie für den künftigen Regionalverkehr zur Sicherung ihrer Ruhe eine Streckenführung entlang der weitab gelegenen Wannseebahn, parallel zu dem anfangs erwähnten Bogen über Nikolassee.

Folgt man der Trasse hinter Kleinmachnow, stößt man auf die Autobahn A 115. In diesem Bereich sind von der alten Strecke keine Spuren mehr zu erkennen. Nach Überquerung der Autobahn auf der Straße am Königsweg führt der Weg erneut in Waldgebiet und nach einigen hundert Metern auf dem einstigen Grenzstreifen in die Nähe des früheren DDR-Kontrollpunktes Drewitz, heute ein Business-Park. Ein wenig weiter gelangt man auf die demontierte und inzwischen der Natur überlassene Autobahntrasse aus den dreißiger Jahren, die bis 1969 von West-Berlin zum alten Kontrollpunkt Dreilinden führte. Ihre ehemals vier Fahrstreifen wurden von der Stammbahn überbrückt. Heute ist dies ein skurriler Ort, der Vergangenheit und Gegenwart in Verbindung bringt.

Anschließend folgt erneut eine Wegstrecke durch naturbelassenen Urwald, in dem jederzeit mit faulenzenden Wildschweinen zu rechnen ist. Nur bei genauem Hinsehen sind hier noch Relikte der ehemaligen Bahnanlagen zu entdecken.

Nach Durchquerung einer Eisenbahner-Kleingartenkolonie erreicht man nach einigen hundert Metern schließlich hinter einem letzten, dichten Waldstück den Teltowkanal. Spuren der Stammbahn oder der Brückenanlage gibt es nicht mehr.

Ein letzter Hinweis findet sich dann noch einmal hinter dem Teltowkanal an der Machnower Straße. Hier wurde 1926 in die neukonstruierte Brücke als Erinnerung ein Gründungsstein des ursprünglichen, aus den Anfängen der ersten preußischen Eisenbahnlinie stammenden Gewölbes von 1838 eingesetzt.

Anschließend verliert sich die Trasse der Stammbahn vollständig. Außer ein paar verstreuten Schottersteinen erinnert nichts mehr an ihren Verlauf, der einst in Griebnitzsee in Höhe des heutigen Hasso-Plattner-Instituts bzw. der Universität Potsdam auf die Bahnverbindung von Wannsee nach Potsdam einschwenkte.

Der frühere Blogbeitrag Die Stammbahn (1) hat sich mit dem Streckenabschnitt vom Potsdamer Platz bis Zehlendorf befasst.

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