Oh, wie ist es am Rhein so schön!

Ein paar gemischte Gefühle verbleiben nach dem Besuch der Ausstellung Night and Day von Axel Hütte im Düsseldorfer Museum Kunstpalast schon. Einiges gefällt, wir kommen darauf zurück, anderes lässt uns ratlos, auch wenn wir den großen technischen Aufwand bei der Herstellung der Bilder durchaus zu würdigen wissen. Düsseldorfer Fotoschule eben. Aber Hütte will nicht wie die anderen aus der Becher-Klasse sein. Gursky, Ruff, Struth oder Candida Höfer mögen ihre eigenen Sachen machen. Hütte bleibt da lieber ein Romantiker, selbst um den Preis, dass seine Werke nicht den gleichen kommerziellen Hype auslösen wie die der Struffskys.

In der Ausstellung werden 70 großformatige Fotografien Hüttes gezeigt, die alle mit der Großbildkamera bei Reisen rund um die Welt entstanden sind, sich aber einer eindeutigen Zuordnung zu einem Genre entziehen. Teilweise sind es Naturaufnahmen, die für Geo oder National Geographic gedacht sein könnten, dann abstrakte Fotografien mit entweder konstruktivistischem oder expressionistischem Einschlag, dazu einige Wasserspiegelungen und schließlich eine Reihe romantischer Nebelbilder. Wie nicht unüblich bei der Düsseldorfer Schule ist alles vollständig menschenleer, dafür entdeckt man auf einem der zunächst abstrakt anmutenden Wasserspiegelungen im australischen Urwald beim genauen Hinsehen plötzlich einen ganz realistischen Alligator.

Viel Nebel ist im Spiel. Dadurch verschwinden Horizontlinien und auch der Standort des Fotografen bleibt im Ungefähren. Die häufig sonst klar erkennbare fotografische Zentralperspektive ist bei Hüttes Aufnahmen mitunter auf eine reizvoll irreale Weise in der Fläche des Bildes eingeebnet. Dadurch erhalten sie einen Charakter, der unseren üblichen Sehgewohnheiten nicht zu entsprechen vermag. Sie sind nicht klassisch dokumentarisch, lassen sich aber auch nicht einer abstrakten Richtung zuordnen. Dabei arbeitet Hütte ohne jegliche digitale Nachbearbeitung oder Montagen. Ganz im Gegenteil, mitunter ist das Ergebnis einer Fotoexpedition ein einziges Bild, das sozusagen pur auf das große Präsentationsformat gebracht wird.

Nicht selten wird Axel Hütte der Riege der romantischen Fotografen zugeordnet. Er selbst sieht sich nach eigenen Worten nicht so, auch wenn die entsprechenden Zutaten wie Nebel, Wolken und Bäume reichlich vorhanden sind. Vielmehr arbeite er kaltblütig, so als wolle er das Traumhafte mit dem distanzierten Blick des Analytikers entschlüsseln, ohne es jedoch völlig zu entzaubern. Bei allem Reiz, den diese Fotografien ausstrahlen, fragt man sich dennoch hier und dort, ob man dafür wirklich eine kiloschwere Plattenkamera durch die Welt schleppen muss. Sicher, die Detailauflösung der Strukturen, und es ist ja viel Baum dabei, gelingt nur auf diese Weise. Aber die Frage nach dem Warum solcher Bilder will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen.

Hüttes Suche nach Bildstrukturen und die Konsequenz bei der Reduktion auf das Wesentliche können durchaus beeindrucken. Dennoch regt sich bei den riesigen Aufnahmen von Eisenbahnbrücken, streng frontal im Ausschnitt aufgenommen, so dass sich sauber ausgerichtete Stahlträgerstrukturen ergeben, wieder die Sinnfrage. Sicher, man kann hier viel Ordnung, auch Stille und Schönheit erkennen, aber mitunter fehlt einem gerade deshalb ein wenig die Spannung. Die Brückenbilder erinnern im Übrigen an die Sammeleien von Ernst und Hilla Becher. Und mal ganz im Vertrauen: Persönlich empfinde ich die Becher-Fotografien trotz ihrer Einordnung als einstmals avantgardistische Konzeptkunst inzwischen fast schon als ein wenig langweilig. Türme, Türme, nichts als Türme…. Aber das bleibt bitte unter uns.

Sozusagen um die Ecke wird im NRW-Forum die Ausstellung leben 24/7 - 100 Jahre Nikon geboten. Und da ich nun schon einmal in Düsseldorf war, habe ich diese Show natürlich nicht ausgelassen. Die Überraschung ließ leider nicht lange auf sich warten. Liebe Veranstaltungsmacher, was habt Ihr Euch bloß dabei gedacht? Wer einen solchen Titel wählt, der verspricht schließlich etwas und erinnert an das 2014 erschienene voluminöse Augen auf! 100 Jahre Leica von Hans-Michael Koetzle, sicherlich eine hoch liegende Messlatte. Aber was die Leute von Nikon da zusammengetragen haben, erreicht nicht einmal entfernt dieses Niveau und ist eine konzeptlose, eklektische Zusammenstellung. Hier ein paar Fotografien aus Kriegs- und Krisengebieten, dort einige wie zufällig ausgewählte Reportagebilder und dazu ein Sammelsurium anderer Themen.

Die verbindende Idee der Werke liegt einzig darin, dass alles mit einer Kamera aus dem Hause Nikon aufgenommen wurde. Da mögen die Bilder noch so gut oder gar berühmt sein. Die Veranstaltung ist schlichtweg eine Imageshow, die zum Eventteil der Photokina passen würde. In einigen Schauvitrinen sind deshalb wohl auch die tollsten Kameramodelle und eine Reihe schöner langer Objektive ausgestellt. Aber von der hundertjährigen Geschichte des Unternehmens und den technischen Entwicklungen wird nichts gezeigt, geschweige denn, dass ein Blick in die Zukunft gewagt wird. Aber es soll ja Stimmen geben, Nikon habe diese sowieso verschlafen. Fazit der Jubiläumsshow: Ich komme mir ein wenig veralbert vor. Oder ist das Ganze schon ein Abschiedssymptom dieser ruhmreichen Kameramarke? Hoffentlich nicht.

Gut, dass es zeitgleich im selben Gebäude auch die Ausstellung Erik Kessels and Friends gibt, die zur Versöhnung beiträgt. Kessels arbeitet mit vorgefundenen Fotografien, die amateurhaft und unperfekt anmuten, und fügt diese zu Collagen und Objekten zusammen. Auch eine ganze Reihe von Fotobüchern zeigt, wie sich Bilder rekontextualisieren und zu neuen Geschichten zusammenfügen lassen. Betritt man den Ausstellungsraum, stößt man aber zunächst auf einen riesigen Berg mit Unmengen von Fotografien. Kessels hat hier alles, was innerhalb von 24 Stunden in den Fotonetzwerken hochgeladen wurde, ausgedruckt und aufgehäuft. Einmal dokumentiert dies die schier unerschöpfliche Materialquelle für seine eigenen Arbeiten, man schaut aber auch ein wenig nachdenklich auf diesen Haufen mehr oder weniger belangloser Knipsereien. Das mag ein unzulässiges Pauschalurteil sein. Egal, die Ausstellung ist ganz witzig.

Hat sich der Ausflug nach Düsseldorf nun gelohnt? Absolut! Ein sonniger Tag in der letzten Septemberwoche, am Rhein sitzen, Schiffe gucken – das ist doch nett!

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Die Kant-Garagen. Ein Stück Zeitgeschichte