Ein zerstörter Platz

Die Stadtplanung der 1960er und 70er Jahre brachte Monströses hervor wie die Brücke über den Breitenbachplatz in Berlin. Auf dem Weg zur autogerechten Stadt zerstörte man einen gewachsenen Organismus und schuf eine brutal anmutende Verkehrsführung. In West-Berlin und der Bundesrepublik wurde seit den 1950er Jahren mehr historische Stadtsubstanz vernichtet als im Zweiten Weltkrieg. Alexander Mitscherlich sprach schon 1965 von der Unwirtlichkeit unserer Städte.

Berlin wurde von Planern und Architekten als Versuchslabor betrachtet. Öffentliche Mittel gab es genügend. In Zeiten des Kalten Krieges konnte die eingemauerte Metropole stets mit Zuwendungen aus Bonn rechnen. Quartiere aus der Gründerzeit fielen der Abrissbirne zum Opfer, nicht nur aufgrund maroder Bausubstanz und lichtarmer Hinterhöfe. Für Immobiliengesellschaften und die Bauwirtschaft waren Neubauten lukrativer. Hinzu kam ein Modernitätsdenken, das Stuck und Schnörkel durch Beton zu ersetzen trachtete. Ergebnis waren Großsiedlungen am Stadtrand und einfallslose Sozialneubauten mit gesetzlichen Mindeststandards. Die Gartenstadtarchitektur der 1920er Jahre wurde verdrängt durch industriell Gebautes, dies allerdings in selbstgewiss behaupteter, jedoch reichlich verkürzt verstandener Bauhaustradition.

Ergänzt wurde die Stadtmodernisierung durch autogerechte Straßenführungen. Neue Autobahntrassen zogen einen Teil des Verkehrs aus den Wohngegenden ab, wirkten jedoch als Stimulus für noch mehr Verkehr. Alternativen wollte man nicht entwickeln. Das Straßenbahnnetz wurde im Westteil der Stadt ausgedünnt und schließlich ganz abgeschafft. Vorrang hatte der Ausbau der U-Bahn. Aber auch dies nur halbherzig. Gradmesser des Wohlstands blieben die Anzahl der Kraftfahrzeuge und das Fließen des Individualverkehrs.

Prototypisch für den städtebaulichen Brutalismus steht die Zerstörung des Breitenbachplatzes zwischen Steglitz und Dahlem. Seinen Namen erhielt der Platz 1913 anlässlich der Eröffnung der U-Bahnlinie in den Südwesten. Seine Gestaltung wurde unter Berücksichtigung gartenarchitektonischer Überlegungen an den Siedlungsbau der Umgebung angepasst. Es entstand ein stadtästhetisch anspruchsvoller Platz mit großzügig gedachten Blickachsen.

Fünfzig Jahre später kamen neue Planer. Auch sie waren Kinder ihrer Zeit. Dem Breitenbachplatz drückten sie eine vierspurige Trasse auf, die als Verbindungsglied zwischen zwei Stadtautobahnen gedacht war. Eine kleine Kirche befindet sich seitdem im Schatten der Schnellstraße. Ein eingezäunter Kinderspielplatz neben dem Eingang zur U-Bahn ist mehr Alibi als Einladung zum Toben. Der Breitenbachplatz ist kein freundlicher Ort. Er lädt weder zum Spielen noch zum Verweilen ein. Immerhin, unter der Brücke bietet er zahlreiche Stellplätze für Autos.

Die ursprünglich geplante Verbindung zwischen den Stadtautobahnen wurde nie realisiert. Das über dem Breitenbachplatz errichtete Teilstück endet in östlicher Richtung im Nichts des Stadtverkehrs. Aktuell wird ein Abriss des Brückenmonsters erwogen.

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Nachtrag

Seit Ende April 2023 ist die Brücke für den Verkehr gesperrt, da im anschließenden Tunnel Sicherheitsmängel festgestellt wurden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Sperrung das Ende des Monsters bedeutet und es nicht mehr zu einer Wiedereröffnung kommt.

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