Im Jahr 1798 veröffentlichte Goethe in der Zeitschrift Propyläen den Beitrag Über Wahrheit und Wahrscheinlichkeit der Kunstwerke. Auf nur wenigen Seiten wird die Differenz zwischen dem Naturwahren und dem Kunstwahren herausgearbeitet. Die Form des Beitrags entspricht einem sokratischen Dialog, der im Übrigen an Platons Diskurs zum Kunstbegriff erinnert. Die Fotografie war zu Goethes Zeit noch nicht erfunden. Gleichwohl lässt sich manches aus dem Artikel auf die Frage nach dem Wahrheitsgehalt des fotografischen Bildes übertragen.
Ist die These gewagt, dass es sich bei ambitionierten Fotografen (m/w/d) in der Regel um eher überlegt agierende Menschen handelt? Aber schließlich ist die Kamera ein Apparat, der beherrscht sein will. Nur mit Intuition und Spontaneität kommt man da meist nicht weit. Fotografieren ist ein technischer Akt mit rationalen Prozesselementen. Fotografen können deshalb von Künstlern (m/w/d), die mit anderen Techniken arbeiten, vielleicht etwas lernen.
Fragt man nach der künftigen Entwicklung der Fotografie, gibt es keine einfache Prognose. Über Jahrzehnte hat sie sich ausdifferenziert in unterschiedliche Formen. Diese Pluralität ist in jeglicher Hinsicht eine Bereicherung. Um gleichwohl einem Verrauschen im indifferenten Einerlei zu begegnen, rückt die Reflexion ihres spezifischen Charakters noch einmal neu in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Traditionelle analoge Techniken könnten da hilfreich sein.
Warum geht von manchen Fotografien auch in Zeiten des Internets, raffiniert gemachter Filme und anderer dynamischer Kunstformen eine so starke Wirkung aus? Wie kommt es, dass das statische Bild noch immer eine intensivere Erinnerung auszulösen vermag als andere Medien? Die Fragen lassen vermuten, dass es sich beim Sehen von Bildern um einen Wahrnehmungsprozess mit subjektiven, emotionalen Bestandteilen handelt.
Nach coronabedingter Unterbrechung von mehr als zwei Monaten ist im Kunstmuseum Moritzburg die Retrospektive Karl Lagerfeld. Fotografie wieder zu sehen. Rund vierhundert Aufnahmen des im vergangenen Jahr verstorbenen Modeschöpfers, barocken Paradiesvogels und nach Auffassung einiger Kritiker künstlerischen Universalgenies werden in der eigens für Halle konzipierten und produzierten Schau gezeigt. Geplant war das Ganze noch unter Lagerfelds Mitwirkung.
In einem Interview mit dem Spiegel äußerte sich im Jahr 1994 der damals 71jährige Richard Avedon zu einigen grundsätzlichen Fragen der Fotografie. Natürlich, so Avedon, müsse man als Fotograf jedes Bild moralisch vertreten können. Man dürfe niemandem schaden, nur um ein starkes Bild zu bekommen. In den Ohren heutiger Medienkonsumenten mag das fast schon ein wenig altmodisch klingen, denn nichts ist gefragter als das Skandalbild. Für Avedon galten da noch andere Maßstäbe.
In Europa halten die Proteste nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd an. Viele Menschen gehen auf die Straße, historische Statuen von Unterstützern des Sklavenhandels werden auch hier in Frage gestellt oder gestürzt, die Feuilletons der Zeitungen befassen sich mit dem offenen und latenten Rassismus. Nur die Vertreter des Humboldt Forums, das sich die Bearbeitung des deutschen Kolonialismus und seiner Folgen auf die Fahnen geschrieben hat, schweigen. Man ist dort offenbar an mentale Grenzen geraten und in erster Linie mit der Schlossbaustelle sowie mit dem goldenen Kreuz auf dem Dach der Attrappe beschäftigt.
Die Rollenverteilung und der Dresscode im klassischen Western der 50er Jahre sind schnell verstanden. Der weiße Hut war dem Helden vorbehalten, die übrigen Akteure teilten sich auf in Schwarzhüte, hutlose Indianer und einige Frauen im karierten Outfit. Dunkelhäutige Menschen mit afrikanischen Vorfahren spielten nur selten mit, schon gar nicht in tragenden Rollen. In späteren Westernfilmen änderte sich dies, eine völlige Ablösung von den alten Klischees blieb aber die Ausnahme.
Am 21. August 1838 starb in Berlin der Dichter und Gelehrte Adelbert von Chamisso. Er hinterließ ein Werk, das den Bogen spannt von romantischen Naturschilderungen über ethnologische Studien bis hin zu sozialkritischen Beiträgen zu Erscheinungen seiner Zeit. Heute, mitunter ein wenig unterschätzt, darf man ihn zu den Zeugen einer aufklärenden Literatur zählen, dem Kunst und Zeitdiagnose nicht als widerstrebende Diskursformen galten, sondern als geschwisterliche Erscheinungen eines epochalen Emanzipationsprojektes.
Für den Katalog zur Weltausstellung der Photographie, die im Jahr 1964 nahezu zeitgleich in verschiedenen europäischen Städten stattfand, wurde von Heinrich Böll ein Prolog verfasst, der sich mit dem moralischen Potential der Fotografie und der Gratwanderung zwischen einer voyeuristischen, effektheischenden und schnell menschenverachtenden Bilddarstellung auf der einen Seite und den Möglichkeiten einer empathischen, respektvollen Form andererseits befasst.
Diese Website verwendet Cookies – nähere Informationen dazu und zu Ihren Rechten als Benutzer finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Klicken Sie auf „Ich stimme zu“, um Cookies zu akzeptieren.Datenschutzerklärung lesen