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Hinweise auf Ausstellungen; Rezensionen von Büchern; Interviews mit Fotografierenden, Kunstschaffenden und Medienaktiven; Anmerkungen zur Geschichte und Theorie der Fotografie; Kommentare zur Kultur; Berichte zum Zeitgeschehen und von Reisen.

Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Der Augenblick im Strom der Zeit

Fotografie findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern stets in einem sozialen Kontext. Was wir Bildrealität nennen, ist ein erlerntes Kulturprodukt und damit potentiell kontingent. Zwar hat die globalisierte Angleichung von Lebensformen dazu geführt, dass viele Alltagsszenen weltweit verstanden werden, es bleibt jedoch ein möglicher Rest von Fremdheit. Riten und Gebräuche, die uns selbst nicht vertraut sind oder die wir als solche vielleicht gar nicht erkennen, können das adäquate Verständnis eines Bildes einschränken. Ob eine Fotografie wahrhaftig ist, kann deshalb von einem Fremden, an anderen Orten sind übrigens wir die Fremden, mitunter kaum beurteilt werden. Alltagsszenen werden vor allem im eigenem Kulturkontext verstanden.

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Subjektive Dokumentation

Die fotografische Sammlung des Museum of Modern Art in New York gilt als einzigartig. Einige Ausstellungen wurden selbst zu Meilensteinen der Fotografiegeschichte. Neben The Family of Man (1955) zählt hierzu New Documents aus dem Jahr 1967 mit nicht einmal hundert Schwarzweißfotografien. Einen Katalog gab es damals nicht. Erst fünfzig Jahre später wurde vom MoMA eine Dokumentation zusammengestellt und mit Begleittexten als Buch veröffentlicht. Es vermittelt einen Eindruck davon, warum die Ausstellung eine geradezu paradigmatische Bedeutung für die zeitgenössische Fotografie bekam.

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Die Objektivitätsfrage in der Fotografie

Alle Überlegungen zum Verhältnis von Wirklichkeit und fotografischem Abbild berühren zwangsläufig die grundlegende Frage nach der Objektivität. Kann eine Fotografie eine neutrale, unverfälschte Darstellung der Realität bieten, oder ist jedes Bild notwendigerweise perspektivisch, subjektiv und mitunter auch ideologisch geprägt? Diese Debatte ist nicht nur für die Fototheorie zentral, sondern reicht bis in die Erkenntnistheorie, die Medienwissenschaft und die Kunstgeschichte hinein.

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Faust in Weimar

Stadtmarketing ist ein mühevolles Geschäft. Stets muss mit Neuem gelockt werden. So wirbt die Klassik Stiftung Weimar 250 Jahre nach der Ankunft Goethes mit dem passend gemachten Themenjahr Faust. Beteiligt sind alle Einrichtungen, die diesbezüglich etwas zu bieten haben. Doch wie wird das Hauptwerk Goethes präsentiert? Schließlich geht es, höchst aktuell, um die Suche nach Allwissen und Macht sowie, nicht zuletzt, um die Ausbeutung der Natur. Das vieldeutige Werk lädt zu Interpretationen ein, gerade weil es sich nicht in allen Facetten unmittelbar erschließen lässt. Gefordert ist die aktive Auseinandersetzung. Der Besuch in Weimar wird zu einer Spurensuche zwischen Hochkultur und touristischer Animation.

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Verbitterung und Ressentiment

Einer der wichtigen Lernprozesse des Lebens besteht darin, Phantasmen und Ressentiments nicht mit der Realität zu verwechseln. Selbst Träume oder Drogenerfahrungen sind zwar im Rahmen der eigenen Lebenswelt in gewisser Hinsicht real; ihre Stoffe bilden jedoch keine Realität ab, die von anderen geteilt werden kann. Auch Vorurteile oder Eifersuchtsdramen konstruieren etwas, das einer nüchternen Überprüfung meist nicht standhält. Sie bleiben Phantasien. Gleichwohl ist man schnell bereit, sie als Beleg für Wirkliches zu halten.

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Weibliche Inszenierungen in den 1920ern

Ende der 1980er Jahre wurde die Berlinische Galerie auf einige Bilder einer weitgehend unbekannten Fotografin aufmerksam. Es handelte sich um Marta Astfalck-Vietz, deren fotografische Schaffensphase vor allem in die Zeit der Weimarer Republik fiel. Aus heutiger Sicht zählt sie zur Avantgarde der Zwanziger Jahre. Janos Frecot, in den 80ern Kurator des Museums, nahm den Kontakt zu Astfalck-Vietz auf und die schon Hochbetagte erzählte ihm ihre Geschichte. Später erhielt die Berlinische Galerie den Nachlass, aus dem jetzt anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens die Ausstellung Inszeniertes Selbst zusammengestellt wurde.

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Liebe in misstrauischen Zeiten

Im Wesentlichen ist der Unterschied zwischen einem Foto und dem gerade ankommenden Licht eines seit Jahrmillionen toten Sterns nicht allzu groß. Beides zeigt Dinge, die längst vergangen sind. Zu dieser Erkenntnis gelangt der Fotograf András Szabad in dem grandiosen Roman Das Ende von Attila Bartis. Die Handlung spielt in Ungarn und umfasst Biografisches aus dem Leben von András bis in die Zeit nach der kommunistischen Herrschaft im Jahr 1989. Tagebuchartige Reflexionen verbinden sich mit subtilen Wahrnehmungen des politischen Geschehens. Zentrale Themen sind der niedergeschlagene Volksaufstand 1956 und die Nachwirkungen im Privaten. Misstrauen ist allgegenwärtig. Betrachtungen zur Fotografie durchziehen den Roman und spiegeln Gesellschaftliches im Individuellen.

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Kunst und Künstliche Intelligenz

Wie lässt sich in Zeiten KI-generierter Bilder Nichtkunst von Kunst unterscheiden? Sind Maschinen in der Lage, von Menschen gemachte Werke so zu imitieren, dass phänomenologisch kein Unterschied erkennbar ist? Und wäre dies ein Drama? Solche Überlegungen führen zu der Frage, was Kunst überhaupt ist. Im postmodernen Zeitalter des Anything goes scheint es darauf keine überzeugende Antwort zu geben. Alles ist möglich und das Label Kunst wirkt nicht selten wie eine naive Schimäre mit Definitionsmustern vergangener Zeiten. Da sich der Begriff Kunst jedoch beharrlich hält und jede Beliebigkeit auch eine Sinnlosigkeit beinhaltet, die wir nicht mögen, suchen wir weiter nach plausiblen Definitionen.

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Der Fotoapparat als Krempel

Die Hersteller von Kameras sind nicht zu beneiden. Gab es einst einen riesigen Amateurmarkt, der zuverlässig mit allerlei Apparaten versorgt sein wollte, sind die taschengeeigneten Kleinkameras nahezu vollständig verschwunden. Und warum gar ein schweres schwarzes Ding mitschleppen, wenn sich für den Erinnerungsbedarf ein ähnliches Ergebnis mit dem Smartphone erzielen lässt. Auch große Kameras sind eine Nebensache geworden. Wenn mit ihnen überhaupt noch ein nennenswerter Umsatz erzielt werden soll, müssen neben den Profis, die auf taugliches Gerät angewiesen sind, die ambitionierten Freizeitfotografen angesprochen werden. Da Skalierungseffekte durch die Produktion großer Mengen weggefallen sind, werden die Kameras aber immer teurer.

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