Bildhandwerk am Ende?

Beim Vergleich der Techniken zur Bilderstellung von der Malerei über die Kamerafotografie bis zur KI-Generierung zeigt sich eine gradlinige Entwicklung. Es geht um die dingliche Distanz zum Bild. Genauer, es ist die veränderte Rolle des Handwerklichen bei der Bilderstellung. Geht man davon aus, dass Kopf und Hand die beiden Instrumente sind, mit denen sich der Mensch die Welt erschließt und dabei seine kognitiven Fähigkeiten entwickelt, mit diesen aber auch verändernd in die Umgebung eingreift, so liegt die Frage nicht fern, welche Bedeutung der anteiligen Verschiebung der beiden Organfunktionen zukommt. Denn die Dinge werden bei der Entwicklung von der Malerei zum KI-Bild immer verkopfter, der Anteil handwerklicher Aktivitäten nimmt ab.

Bei der Malerei sind die Verhältnisse klar. Es beginnt mit einer Idee, diese kann gegenständlich oder phantasievoll expressiv sein, und führt zur Umsetzung auf einer Leinwand oder einer anderen Oberfläche, meist mit Hilfe eines Pinsels. Insbesondere bei der klassischen Malerei ist ein Großteil der künstlerischen Fertigkeit in der manuellen Geschicklichkeit begründet. Das Malgerät so handzuhaben, dass es zum angestrebten Ergebnis beiträgt, ist Produkt eines langen Übungsprozesses und will trainiert sein.

Machen wir einen Sprung zur Fotografie. Bis vor wenigen Jahrzehnten bedeutete dies ausschließlich analoge Fotografie. Insbesondere in ihren Anfängen im 19. Jahrhundert begann alles wie bei der Malerei mit einer Idee. Der Fotograf, Fotografinnen gab es noch kaum, hatte die Vorstellung eines Bildes und machte sich mit einem kiloschweren Equipment auf den Weg, diese Idee umzusetzen. Insbesondere die Unhandlichkeit der Gerätschaft zeigt, welche Bedeutung dem Manuellen zukam. Die Technik wollte im Kopf, aber auch hinsichtlich der handwerklichen Umsetzung beherrscht sein. Wie bei der Malerei war das Bild Ergebnis eines Lernprozesses mit vielen Versuchen und Irrtümern. Hinzu kamen aufwändige Dunkelkammerprozesse. Kopf und geschickte Hände waren gleichermaßen beteiligt, wenn aus einer Bildidee Wirklichkeit werden sollte. Später wurden die Kameras handlicher, aber noch immer kam bei der Gestaltung neben dem Blick auch dem Handling des Gerätes eine größere Bedeutung zu. Automatiken gab es nicht. Die Kamera wollte ruhig gehalten und Blende, Belichtungszeit und Objektiv möglichst präzise eingestellt sein.

Der technologische Sprung führte dann, wir bewegen uns immer noch im analogen Zeitalter, zur Automatisierung bei der Belichtung, später auch bei der Fokussierung. Der Anteil des Händischen nahm weiter ab. Auch in der Dunkelkammer gab es nun Hilfsgeräte, die den Positivprozess erleichterten. Die vorangegangene, primäre Bildgestaltung war aber weiterhin ein aktiver Prozess. Man musste die Füße benutzen, um vor dem Druck auf den Auslöser den richtigen Bildausschnitt festzulegen. Mit der Einführung des Zooms wurde dies relativiert. Man konnte nun auf der Stelle verharren, stellte alles auf Automatik und drehte am Objektiv, bis der erwünschte Ausschnitt im Sucher erschien.

Mit dem Auftauchen der Digitalkameras änderte sich der Aufnahmeprozess trotz weiterer Automatiken zunächst nicht grundlegend. Anders stellte sich dies bei der Bildrealisierung dar. Die Pantscherei im Chemiebad der Dunkelkammer wurde ersetzt durch die Bildbearbeitung am Computer. Das Händische reduzierte sich auf Tastatureingaben. Besondere handwerkliche Fertigkeiten waren nicht gefragt. Wer schneller tippen konnte, hatte einen Zeitvorteil. Mehr aber auch nicht. Die Idee war entscheidend. Gefiel etwas nicht, wurde solange an den Schiebereglern des Bearbeitungsprogramms gefummelt, bis das Ergebnis den Vorstellungen entsprach. Oder das Ganze wurde gelöscht, denn vollkommen ändern konnte man die von der Kamera erzeugte Bilddatei nicht. Die Pixel ließen sich zwar modifizieren, aber erst mit den erweiterten Funktionen von Photoshop und Co. konnten auch komplexere Bildmontagen realisiert werden. Wem dies zu aufwändig war, griff zum Smartphone.

Und nun der Sprung zum KI-Bild. Bei diesem ist der Urheber kaum noch von manuellen Fertigkeiten abhängig. Es wird ausschließlich die Tastatur bedient, eine Kamera ist überflüssig. Ein paar Eingabebefehle und schon produziert das Programm ein Bild. Das Ganze lässt sich perspektivisch noch weiter denken. Nichts spricht dafür, dass die Eingabebefehle mit der Hand erfolgen müssen. Warum sollten sie nicht durch Sprachbefehle ersetzt werden. Da hockt dann eines Tages ein Nerd im bequemen Sessel vor dem Computer, lehnt sich zurück und fordert die KI-Maschine verbal auf, ein im Geiste ausgedachtes Bild zu produzieren. Er wird sein Ergebnis bekommen. Das Ausschalten der Handlung führt ihn in eine virtuelle Welt.

Eine weitere Steigerung des Prozesses wäre erreicht, wenn sich der Eingabebefehl durch eine sprachlos funktionierende Interfaceverbindung zwischen Gehirn/Phantasie und der Maschine realisieren ließe. Der Nerd säße dann nicht mehr vor einem Bildschirm, sondern würde auf dem Sofa rumlungern und gedanklich mit einer Cloud kommunizieren. Soweit ist die Entwicklung zwar noch nicht, aber theoretisch vorstellbar schon, zumindest für einige Tüftler. Die Antwort der KI auf den Eingabebefehl würde dann über smarte Kontaktlinsen erfolgen oder direkt über eine Interfaceverbindung an das Gehirn. Leben im Virtuellen.

Und damit wären wir in einer Welt angelangt, zu der bereits im Blogbeitrag Cyborgs und digitalreale Neuwelten einige Anmerkungen erfolgt sind. Die Technik für KI-generierte Bilder ist das Einstiegstor zur Schaffung einzigartiger persönlicher Welten. Hört sich nach Spinnerei an, weist aber in die Richtung, in die sich die Dinge bewegen. Handwerkliches Können im klassischen Sinne ist da nicht mehr gefragt.

Der Sprung zum Video wird der nächste Schritt sein. Die KI-Welt wird dann beweglich. Die Programmentwickler arbeiten bereits daran.

Alternativ gibt es natürlich weiterhin die Möglichkeit zur Erzeugung handwerklich geschaffener Bilder, von der Malerei bis zur Fotografie, diese insbesondere mit analoger Technik.

 

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