Blog

Hinweise auf Ausstellungen; Rezensionen von Büchern; Interviews mit Fotografierenden, Kunstschaffenden und Medienaktiven; Anmerkungen zur Geschichte und Theorie der Fotografie; Kommentare zur Kultur; Berichte zum Zeitgeschehen und von Reisen.

Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Wandel mit Brüchen

Es war in den 1950er Jahren, als ein Amateurfotograf durch das im Thüringischen gelegene Berka streifte und Bilder vom Gemeinschaftsleben seines Heimatortes in der noch jungen DDR festhielt. Die Aufnahmen vermitteln eine optimistische Grundstimmung zwischen dem neugewonnenen Alltag nach dem Krieg und den Bemühungen des ostdeutschen Staates um Identitätsbildung. Fotografien von Hochzeitsfeiern und vom Karneval oder von der Arbeit in den landwirtschaftlichen Betrieben stehen neben Bildern vom Fahnenappell der Jungen Pioniere und Symbolen der sozialistischen Propaganda. Fotograf war der 1929 geborene Ludwig Schirmer, seit 1953 Müllermeister in Berka.

Weiterlesen
Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Fotografie und die Ambivalenz der Moral

Für den Katalog zur Weltausstellung der Photographie, die im Jahr 1964 in verschiedenen europäischen Städten stattfand, hat Heinrich Böll einen Prolog verfasst. Der Text Die humane Kamera reiht sich ein in Werke des Autors, die sich auf wiederkehrende Weise mit dem moralischen Potential der Fotografie befassen, nicht selten als Einleitung oder Begleitung zu zeitgenössischen Bildbänden. Wie später Susan Sontag lotete Böll die Gratwanderung zwischen einer voyeuristischen, effektheischenden und damit schnell menschenverachtenden Form der Fotografie auf der einen Seite aus und den Möglichkeiten einer empathischen, respektvollen Variante auf der anderen.

Weiterlesen
Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Verschiedene Bilder in einer Fotografie

Der japanische Fotograf Daido Moriyama meinte einmal, er könne nicht jedes Bild erklären, das er gemacht habe. Das verwundert nicht. Viele Fotografien, insbesondere Schnappschüsse auf der Straße, entstehen spontan. Meist gibt es mehrere, auch unbewusst bleibende, Gründe, warum gerade in diesem einen Augenblick der Auslöser betätigt wurde. Das Gefühl spielt dabei offenbar eine gewichtige Rolle. Dieses begründen zu wollen, gerät jedoch schnell in den Strudel wohlfeiler Rationalisierungen, um einem Betrachter des Bildes irgendetwas Interessantes zu offerieren. Mitunter wird auch der Versuch unternommen, ein Bild schriftlich zu erklären.

Weiterlesen
Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Anarchie im fotografischen Bild

Nur selten werden bei der Betätigung des Kameraauslösers sämtliche Informationen registriert, die in genau diesem Augenblick auf den Film oder die Speicherkarte gelangen. Erst bei der späteren Betrachtung fallen Details auf, die zuvor beim Blick durch den Sucher nicht bemerkt wurden. Manchmal wird das Ergebnis als störend empfunden, wenn etwa ein Vogel vor Tante Ernas Gesicht vorbeiflattert, mitunter jedoch machen gerade die anarchischen Dinge den Reiz einer Aufnahme aus. Dieser doppelte Charakter einer Fotografie, einerseits Ergebnis einer subjektiven Bildkonstruktion, andererseits objektive Abbildung dessen zu sein, was sich im Augenblick der Aufnahme vor der Kamera abgespielt hat, bildet ein Spannungsverhältnis, das die Sache erst so richtig interessant macht.

Weiterlesen
Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Der fotografische Eintopf

In den 1910er Jahren begegneten sich in New York der Fotograf und Galerist Alfred Stieglitz sowie der Installationskünstler Marcel Duchamp. Im Umfeld der Galerie 291, die eine Plattform für Avantgardistisches bot, tauschten sie Gedanken über Kunst und Ästhetik aus. Duchamp soll dabei einmal auf die Frage, wie er es mit der Fotografie halte, sinngemäß geantwortet haben, dass er sie verehre, da sie die Malerei zu verachten lehre. Dies gelte aber nur solange, bis ein künftiges Medium seinerseits die Fotografie verachte. Ob Duchamp dies wirklich gegenüber Stieglitz äußerte oder vielleicht eher im Rahmen eines Briefwechsels mit dem Dichter und Kunstkritiker Henri-Pierre Roché, war nicht zu verifizieren. Glaubwürdig ist Duchamps Verdikt hinsichtlich der Fotografie jedoch allemal. Schließlich nahm er jede künstlerische Darstellungsform aufs Korn, sobald sie als etabliert und von allgemeinem Wohlwollen getragen galt.

Weiterlesen
Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Photographie auf dem Zauberberg

Vor hundert Jahren erschien die Geschichte Hans Castorps, der sich in die Davoser Höhe eines elitären Lungensanatoriums begeben hatte, um, so die ursprüngliche Absicht, für eine kurze Zeit den Vetter Joachim zu besuchen. Thomas Mann, der den Zauberberg als Bildungs-, auch als Entwicklungs- oder Erziehungsroman verstand, lässt seinen Helden am Ende schließlich sieben lange Jahre dort verweilen, die sich im Rückblick als Vorkriegsjahre darstellen. Castorp erlernt in dieser Zeit das Denken. Aus einem unbedarften Jüngling aus gutem Hause mit Ingenieurdiplom wird ein sinnreflektierender Mann, der mit ungewisser Zukunft in die Niederungen des gerade ausgebrochenen Ersten Weltkrieges zurückkehrt. Sein Schicksal bleibt im Roman offen.

Weiterlesen
Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

In den Provinzen – 78 Fotografien

Rund zwei Drittel der Menschen leben in Deutschland abseits der großen Metropolen in ländlichen oder kleinstädtischen Bezügen. Der Begriff Provinz wird hier deshalb als regionale Kategorie verstanden, nicht jedoch abwertend. Es macht keinen Sinn, das Leben ausschließlich aus dem Blick der großen Stadt begreifen zu wollen. Der Wandel der Lebenswelten, ob in Gestalt der Architektur oder als Infrastruktur, zeigt sich überall. Gleichwohl finden sich insbesondere in den kleineren Städten und Gemeinden noch viele Zeugnisse einer Gesellschaft im Übergang. Manches wird Bestand haben und weiterhin den Alltag prägen.

Weiterlesen
Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Fotografie und Buchkunst vom Feinsten

Zu den herausragenden Fotografinnen und Fotografen in der DDR und darüber hinaus zählt die 1930 geborene Evelyn Richter. Ihr Name gehört in eine Reihe neben Sibylle Bergemann, Arno Fischer, Ute und Werner Mahler, Roger Melis, Harald Hauswald oder der großartigen, vor wenigen Tagen verstorbenen Helga Paris. Gemeinsam ist ihnen ein sozialdokumentarisch angelegter Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit, meist im schnörkellosen Schwarzweiß und nicht immer zur Freude der offiziellen Kulturpolitik des damaligen Staates. Eine große Einzelausstellung von Evelyn Richter gab es bereits im Düsseldorfer Kunstpalast. Gegenwärtig ist sie in Leipzig zu sehen.

Weiterlesen
Ulrich Metzmacher Ulrich Metzmacher

Auf der Suche nach dem Wesentlichen

Bei dem kürzlich erschienen Buch Josef Koudelka: Next von Melissa Harris handelt es sich gleichermaßen um eine Biografie wie um ein Fotobuch. Die Bilder spielen bei Koudelka nun einmal eine besondere Rolle. Sie und die Texte gehen eine Symbiose ein, die das Werk des Magnum-Fotografen vor dem Hintergrund eines ereignisreichen Lebens klug ausbreitet. Biografisches kann da nicht außen vor bleiben. So präsentiert das Buch nicht nur eine Menge, mitunter ikonisch gewordener, Fotografien Koudelkas, sondern auch Bilder, die ihn selbst zeigen, aufgenommen von anderen. Hinzu kommt der Text von Harris, die Koudelka in vielen Gesprächen aufmerksam zugehört hat und auch mit Freunden, Familienangehörigen, Kollegen und Mitarbeitern sprach.

Weiterlesen